Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
bei beiden Kopfschmerzarten therapeutisch das Gleiche tun – aber nur, wenn man selbst rechtzeitig reagiert. Das heißt: nicht abwarten, bis der Körper nicht mehr anders kann, als Kopfschmerzen – welcher Art auch immer – zu produzieren, sondern rechtzeitig den Druck herausnehmen. Bei Kindern kommt es vor, dass der Spannungskopfschmerz in eine Migräne übergeht und umgekehrt – was man so verstehen kann, dass der Körper in seinen Reaktionsgewohnheiten noch nicht so festgelegt ist wie später im Erwachsenenalter (siehe auch Seemann 2002).
Bei den Spannungskopfschmerzen gerät das eigentliche Problem, dass sich die psychische Belastung in der Nackenmuskulatur und als Druck im Kopf abbildet, oft aus dem Blick, nicht zuletzt, weil sie, wie oben schon gesagt, gut auf Medikamente ansprechen.
Noch einmal zurück zu den Rückenschmerzen und zur Arbeitsunzufriedenheit – es darf auch eine allgemeine Lebensunzufriedenheit sein: Wenn zum Beispiel eine Krankenschwester unzufrieden zur Arbeit geht, dann verkraftet ihr Körper schweres Heben beim Umbetten viel schlechter, als wenn sie leicht und vergnügt daherkäme – sie verhebt sich dann schon einmal, bekommt einen Hexenschuss oder Lumbago und damit die Weigerung ihres Körpers, sich überhaupt noch zu bewegen. Da heißt es nachgeben, sich beim Körper entschuldigen – das meine ich ganz im Ernst! –, ihm versprechen, über das eigene Dasein nachzudenken, und erst einmal Ruhe geben.
Das widerspricht eindeutig jeglichem Ratschlag, den Sie von Orthopäden bekommen: Mobilisierung ist angesagt. Aber gemach! Erst einmal innehalten und darauf achten, was der Körper verlangt, ihm geben, was er braucht – Rückzug, Ruhe, Wärme –, und dann, sehr bald allerdings, langsam wieder in die Bewegung gehen.
Um auf unseren Ausgangspunkt, die Rhythmusstörung, zurückzukommen: Bewegungsverweigerung des Körpers hat immer mit rhythmischer Unausgewogenheit zu tun: zu viel Anspannung – zu wenig Entspannung und Ruhe. Oder aber: zu viel körperliche oder geistige Trägheit – zu wenig Bewegung und seelische Begeisterung.
Deshalb haben die Tagesklinik-Programme für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die anfangs fast nur Fitnesstraining angeboten hatten, nun einen bekömmlicheren Wechsel von aktiven Trainingseinheiten und Entspannungsübungen über den Tag verteilt. Diese Programme sind sehr nützlich und wirksam (siehe z.B. Neubauer et al. 2006; Pöhlmann et al. 2009) und sie fördern bei jedem Teilnehmer das Nachdenken darüber, ob sein Leben noch im Fluss ist bzw. auf der richtigen Schiene rollt. Letzteres hat nun aber nicht nur etwas mit der körperlichen Fitness zu tun, wie folgende Geschichte illustriert.
In einem Übungsseminar zur Progressiven Muskelrelaxation (PMR) für Ärzte – PMR ist ein bevorzugtes Entspannungsverfahren für Patienten mit Rücken- und anderen Muskelschmerzen – war ein 42-jähriger Arzt, der als Einziger diese Technik nicht für seine Patienten erlernen wollte, sondern für sich selbst. Er hatte acht Jahre zuvor einen Bandscheibenvorfall gehabt und in der Folge durch diszipliniertes Fitnesstraining seine Rückenschmerzen gut »in den Griff« bekommen. Es ging ihm einige Jahre damit gut – aber nun hatte er seit gut zwei Jahren wieder Schmerzen im Rücken, obwohl er doch weiterhin trainierte und alles tat, was seinem Rücken helfen sollte. Nun wollte er Entspannung lernen, um besser in den Anspannungs-Entspannungs-Rhythmus zu kommen. Allerdings fürchtete er, den Tag nicht sitzend zu überleben, und fragte, ob er sich legen dürfe – was ich aber verneinte, weil ein arbeitender Mensch sich ja selten tagsüber zum Entspannen hinlegen kann. Meistens sitzt er und sollte sich in dieser Haltung entspannen können – für Menschen, die den ganzen Tag stehen müssen, gilt das Gleiche: Man kann auch entspannt stehen.
Als wir die erste Übung gemacht hatten, fragte ich ihn als Ersten, wie es ihm ergangen sei. Er war sehr verwundert, dass sein Rücken Ruhe gegeben hatte, dass er gut in die Entspannung hineingefunden, sogar ein wenig weggedriftet war und nichts mehr mitbekommen hatte – und dann sagte er doch ein wenig ärgerlich: »Diese Stühle hier mit den engen Armlehnen sind zum Entspannen völlig ungeeignet!«
Einige der anderen Teilnehmer schmunzelten und lachten verhalten, bis ihm auffiel, dass die Stühle überhaupt keine Armlehnen hatten. Da sagte er: »Aber – mir ist halt alles zu eng!«
Das genau meine ich, wenn ich sage, dass
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