Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
ausgehen, dass irgendwann im Leben der Zeitpunkt gekommen ist, wo der Mensch im wahrsten Sinne des Wortes »zu sich kommen« muss. Und wenn sein bisheriges Leben dazu nicht geeignet war, dann wird ihn seine Seele dazu zwingen, indem sie den Körper dafür benutzt, unüberhörbare Signale zu senden, Hindernisse aufzubauen und damit zu sagen: Na komm, nun musst du dich auch mal um dich und dein Befinden kümmern. So gesehen wäre die Alexithymie keine Psychopathologie, kein persönliches und überdauerndes Defizit, sondern ein einseitiger und unausgewogener Zugang zum Leben, der ergänzt werden muss um die andere Seite, den Zugang zu sich selbst. Das Symptom drückt deshalb ein Bedürfnis aus, die eigenen Innenräume zu erkunden und zu bewohnen und damit über einen größeren Lebensbereich zu verfügen als zuvor. Im eigentlichen Sinne ist es nichts anderes als die Aufforderung, ganz zu werden.
Es gibt Patienten mit psychosomatischen Störungen – oft kommen nacheinander mehrere und zunehmend schlimmere Symptome, wenn die ersten Anzeichen unterdrückt worden sind –, die im Laufe des Gesprächs über eine »innere Leere« klagen. Das verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass dieses Innere noch gar nicht möbliert ist. In Wahrheit hat jeder und jede ein reiches Innenleben, Tag- und Nacht-Träume, Sehnsüchte und Gefühle – nur, die Türen dahin sind verschlossen, durch Nicht-Gebrauch eingerostet.
Und, zugegeben, wenn von dorther nichts Besseres kommt als ein Schmerz, ein Hexenschuss, ein Kopfschmerz oder Hautekzeme, um nur eine kleine Auswahl zu nennen, so ist es nicht gerade reizvoll, dorthin zu gehen und nachzusehen, was da sonst noch sein könnte. Wenn der Patient aber den Aufschrei aus seinem Inneren als einen Hilferuf verstehen kann: Kümmere dich endlich auch einmal um dich selbst!, dann ist das der Anfang einesguten Weges. Damit ist aber nicht gemeint, dass ab jetzt nur noch meditiert wird – nein! Die lang trainierte Fähigkeit zu erfolgsträchtiger Außenorientierung ist sozusagen auf der Haben-Seite, sie soll weiterhin wertgeschätzt und angewandt werden – dort, wo es angebracht und gefordert ist. Sie wird aber zunehmend ergänzt durch Innenorientierung – ebenfalls dort, wo es angebracht ist. Dann kann der Körper beruhigt seine lauten Proteste und Hilfeschreie zurücknehmen und anfangen, manierlich mit seinem Besitzer zu kommunizieren, weil er sicher sein kann, dass der hinhört.
Man könnte die einseitige Wahrnehmungsorientierung auf die Außenwelt als eine räumliche Rhythmusstörung bezeichnen, weil das Hin-und-Her-Pendeln zwischen Außenwelt und Innenwelt eine wichtige Bewegung ist, will man gesund bleiben.
Rhythmus verbinden wir aber gemeinhin mit einem zeitlichen Wechsel, einer Schwingung in der Zeit. Dass die zeitlichen Rhythmen gut eingespielt sind, ist für die Funktionsfähigkeit des Körpers grundlegend. Anders gesagt, wenn sie langfristig aus dem Tritt geraten, entsteht – oft schleichend, manchmal anfallartig – eine behindernde Funktionsstörung.
2.Anspannung, Unbeweglichkeit, Erstarrung – wie man chronische Rückenschmerzen, Spannungskopfschmerzen oder gar Fibromyalgie bekommen kann
Kennen Sie solche Zeiten, in denen es scheint, als sei Ihnen jegliche Beweglichkeit abhanden gekommen? In denen Sie sich wie erstarrt fühlen, festgefahren, keine Ahnung, wohin es gehen soll? Das ist kein angenehmes Lebensgefühl: das Gegenteil von tanzen, springen, hüpfen, singen.
Und wie fühlt es sich an, wenn Ihr Körper unbeweglich wird? Ganz massiv passiert das beim Hexenschuss, bei einem Bandscheibenvorfall und nach und nach, wenn die Schulter »einfriert«, wenn alles wehtut, sobald man sich rührt, und auch, wenn man still auf einem Stuhl sitzen und sich gar nicht rühren möchte.
Was ist da los? Wie kommt der Körper dazu, sich so zu verhalten, wenn wir doch anfangs davon ausgegangen waren, dass er intelligent ist – und wenn wir wissen, dass er Bewegung und Beweglichkeit dringend braucht.
Jeder Muskel, der sich eine Weile nicht bewegt, der also festgehalten wird, fängt an zu schmerzen – es bekommt ihm nicht. Deshalb ist die früher übliche Aufforderung an Schüler oder an Kinder bei Tisch: »Sitz gerade!« zwar ästhetisch gerechtfertigt, aber nur jeweils für höchstens drei Minuten, dann sollten sich die Kinder wieder für eine Weile lümmeln dürfen – Haltungswechsel sind gesund. Das hat sich mittlerweile auch in den bei Rückenschmerz-Patienten beliebten Rückenschulen
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