Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
der Körper die innere Haltung des Menschen abbildet. Wie haben wir begonnen? Das Seelische hat eine Entsprechung im Körperlichen – wie wahr. Wenn Sie zum Beispiel die Körperhaltung oder den Gang eines Menschen nachahmen, können Sie umgekehrt spüren, in welcher psychischen Verfassung er gerade ist.
In der Entspannung ist es leichter zu merken, was los ist, was man braucht, was einem fehlt. In der Anspannung des Tages teilt sich das nicht so leicht mit. Da sind wir nämlich alle mehr oder weniger »alexithym«, also nach außen orientiert – und das ist auch gut so, denn eine fortwährende Innenschau und Betrachtung der eigenen Befindlichkeit wäre für so manches Berufsleben kontraproduktiv. Bei manchen Menschen, solchen, die sonst nie »zu sich« kommen, passiert es, dass sich gerade in der Entspannung der Körper mit einem Symptom meldet – etwa mit Schulter-, Nacken-, Rückenschmerzen. Dann sage ich immer: Da hat Ihr Körper die Gelegenheit gewittert, sich bei Ihnen mal bemerkbar zu machen – fragen Sie höflich nach, was er sich von Ihnen wünscht.
Wenn nun einer sagt: Mir ist eben alles zu eng!, dann hat er damit das ausgedrückt, was bei Rhythmusstörungen vom Erstarrungstyp meistens der Hintergrund ist: Im sozialen, oft auch im geistigen Leben sind eine Enge, Unbeweglichkeit, Erstarrung eingetreten, die dieser besondere Mensch überhaupt nicht brauchen kann. Da sich solche Entwicklungen schleichend und oft auch unmerklich vollziehen – sie sind nicht beabsichtigt und werden nicht aktiv hergestellt –, bemerkt man sie vielleicht nicht oder nur an einem diffusen Unbehagen, das man nicht zuordnen kann: Eigentlich ist alles in Ordnung – vielleicht ein bisschen zu viel Ordnung und Sicherheit? Oft sind Spielräume verloren gegangen, der Aktionsradius hat sich verengt, man ist stärker eingespannt – schweift nicht mehr so viel umher. In Familien mag das dem oder der einen sehr entgegenkommen, dem oder der anderen bekommt so viel räumliche, soziale und geistige »Sesshaftigkeit« überhaupt nicht. Das Symptom, das daraus entsteht, ist aber nicht so leicht verstehbar: Es verhindert nämlich genau das, was es »eigentlich« provozieren möchte. Man könnte aber auch denken, das Symptom bildet genau das ab, ist ein Spiegel dessen, was sich da gerade abspielt: Unbeweglichkeit. Das erscheint paradox. Ist es aber nur teilweise. Die Ersatz-Bewegungen, die am eigentlichen Bedürfnis vorbeigehen, befriedigen den Körper nicht – er ist, wie wir oben gesehen haben, intelligent und weiß sehr genau, wann wir unseren Lebenspfad verlassen haben und uns beharrlich in die falsche Richtung bewegen, die falsche Fährte verfolgen, auch wenn wir dabei joggen oder in einen Gymnastik-Kurs gehen möchten – das lässt er nicht zu und hindert uns am Weitergehen.
Wenn man dann auch noch bedenkt, dass wir es bei Patienten mit chronischen Rücken- oder Kopfschmerzen mit Menschen zu tun haben, die nicht gerade verspielt sind, sondern eher aufgaben- und problembezogen, möglicherweise bis hin zur Alexithymie, die gelernt haben, in allen leistungsbezogenen Lebenslagen durchzuhalten, dann wird uns auch klar, dass die Schmerzen ebenso beharrlich sein werden wie dieser Mensch. Das gibt dann womöglich ein echtesGezerre.
Anfangs geht erst einmal überhaupt nichts mehr – und wenn das anhält, denkt der betroffene Mensch, der sich noch im arbeitsfähigen Alter befindet, irgendwann an Frührente – schwerwiegende chronische Rückenschmerzen treten sowohl bei den Männern wie den Frauen am häufigsten im mittleren Alter auf, weil sie ihren alten, eingefahrenen Lebensstil – der ja lange Zeit erfolgreich war! – nicht aufgeben wollen. Sie wissen nämlich nicht, wie es anders gehen könnte. Um das herauszufinden, müssten sie z.B. das letzte Kapitel Der Lebensbogen gelesen haben. Dort steht geschrieben, dass es im Leben irgendwann einmal eine Wende geben muss, damit es weitergehen kann und leicht wird.
Ich traf einmal einen großen schweren Mann mittleren Alters, der schon seit längerer Zeit wegen seiner Rückenschmerzen arbeitsunfähig war laut seinen eigenen und den Berichten von zwei Reha-Kliniken. Er hatte zwar in einem Fitness-Studio immer ordentlich trainiert, mit geringem Erfolg. Als ich ihn traf, erzählte er strahlend, er arbeite wieder, was niemand erwartet hatte, er könne sogar wieder die schweren Gasrohre heben und bewegen – Rohre verlegen war nämlich sein Job – und es gehe ihm ziemlich gut. Ich fragte ihn,
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