Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
herumgesprochen: Da kann man zwar lernen, richtig zu heben – aber das Sitzen in »aktiver Aufrechtspannung bei Beckenkippung« ist ebenfalls nur für drei Minuten zu empfehlen – »richtiges« Sitzen, wenn man damit eine bestimmte Sitzhaltung meint, gibt es nicht.
Auch das Gerücht, dass langes Sitzen – zum Beispiel am Schreibtisch oder im Auto – Rückenschmerzen macht, stimmt so nicht. Seit Jahren frage ich jeden Taxifahrer, während er mich herumfährt, ob ihm der Rücken wehtut, und da stellt sich heraus, dass diejenigen, die ihren Job lieben, überhaupt keine Rückenprobleme haben. Andere, die sofort anfangen loszuschimpfen, wie schlecht die Zeiten für Taxifahrer sind und dass sie immer schlechter werden – was ja stimmt –, die haben häufiger auch Rückenschmerzen.
Am Schreibtisch sitzend arbeitet der Mensch meistens angespannt konzentriert – das trifft nicht auf alle zu, manche legen die Füße auf den Tisch und denken entspannt nach, andere spielen Computerspiele, was aber auch oft hohe Anspannung und Konzentration erfordert. Anspannung im Kopf überträgt sich auf den Körper.
Die Vorstellung, dass schwere körperliche Arbeit Rückenschmerzen hervorruft, ist schlicht falsch. In Entwicklungsländern haben weniger Leute chronische Rückenschmerzen als in den westlichen Industrieländern.
Als die Eisenbahn gerade erfunden war, da bekamen beim Bahnfahren viele Reisende Rückenschmerzen – deshalb dachte man, die Vibrationen und damit das Bahnfahren seien ungesund. Wahrscheinlicher ist es, dass die Reisenden Angst hatten vor diesem lauten und schnellen Transportmittel, das man selbst nicht steuern konnte – und Angst macht im Körper Muskelanspannungen, und die machen Schmerzen.
Deshalb leuchtet es ein, dass bei einer großen wissenschaftlichen Studie etwas ganz anderes herauskam, nämlich dass Arbeitsunzufriedenheit eine Hauptursache für chronische Rückenschmerzen ist. Wie kommt die Unzufriedenheit in den Rücken? Die innere Anspannung überträgt sich auf die langen Rückenstrecker-Muskeln, die sich ihrerseits anspannen und chronisch festgehalten werden. Wenn man dann noch den Kopf einziehen muss – vor dem Chef oder vor KollegInnen –, dann kommen auch noch Nackenschmerzen dazu und Kopfschmerzen, falls sich der Arbeitsdruck – als psychischer Druck – aufbaut und im Kopf sammelt.
Spannungskopfschmerzen sind ein Übel, das die meisten Menschen kennen. Sie wissen, dass sich da im Kopf etwas zusammenbraut, nehmen eine Tablette ein – worauf diese Kopfschmerzen gut reagieren – und denken nicht weiter darüber nach, weil ihnen die Situation vertraut ist. Fast jeder Mensch hat hin und wieder Spannungskopfschmerzen, auch Kinder. Wenn solche Kopfschmerzen jedoch häufiger werden und zwangsläufig auch die Häufigkeit der Tabletteneinnahme zunimmt, dann wird daraus über kurz oder lang ein Teufelskreis, aus dem man schlecht wieder herausfindet: Es entsteht nämlich ein Medikamentenkopfschmerz zusätzlich zum Anspannungskopfschmerz – und da hilft dann nur noch eine regelrechte Entzugsbehandlung. Vielleicht wundern Sie sich gerade, dass ich die Kopfschmerzen vom Spannungstyp – wie sie nach der Kopfschmerzklassifikation genannt werden – zusammen mit den Rückenschmerzen abhandle und nicht bei der Migräne, die im nächsten Kapitel dran ist.
Beide entstehen aus Überlastung, bei beiden hat man Schmerzen im Kopf, und doch steckt dahinter eine unterschiedliche Reaktion und Dynamik im Körper, der die Belastung verarbeiten muss. Spannungskopfschmerzen bauen sich meist langsam auf – sie kommen schleichend – und ziehen sich bei Entspannung wieder zurück, während die Migräne anfallartig kommt, sich oft sehr schnell entwickelt und durch Entspannung kaum mehr unterbrochen werden kann. Die Spannungskopfschmerzen legen sich wie eine Haube oder ein Schraubstock von hinten her über den ganzen Kopf bis zu den Augen, der Schmerz ist drückend und dumpf und kann, wenn man sich gut ablenkt, sehr oft ausgeblendet werden. Dagegen ist der Migräneschmerz pulsierend und pochend und wird meist einseitig verspürt. An ihm sind die Kopfgefäße beteiligt, sie sind ungleichmäßig durchblutet und produzieren Entzündungsstoffe – das tut weh. Schon aus diesen kurzen Beschreibungen wird deutlich, dass die medikamentöse Therapie bei beiden Arten unterschiedlich sein muss.
Da aber die psychosomatische Therapie im Vorfeld ansetzt, also dort, wo sich die Belastungen und Verspannungen aufbauen, kann man
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