Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
tun. Nehmen Sie das, was Sie da sehen, richtig wahr. Lassen Sie es auf sich wirken, in Ihrem Inneren eine Resonanz entstehen, bis Sie den wahrgenommenen Gegenstand aufgenommen haben und in sich spüren.
Letzthin sah ich auf meiner Terrasse zwei Schnecken, solche mit hellen Häusern, Weinbergschnecken, die gibt es überall. Aber vermutlich hat es mich überrascht, dass sie mitten in der Sonne verweilten, obwohl sie das sonst ja nicht tun. Sie waren zu zweit – und paarten sich – lang und breit. Soll heißen, sie waren beide aus ihren Häusern herausgekommen, hatten sich mit ihren Unterseiten eng aneinandergeschmiegt und wiegten sich langsam hin und her. Ein Bild sanfter, weicher Zärtlichkeit.
»Aha!«, sagt da mancher psychologischer Forscher: »Zärtlichkeit bei der Schnecke! Welch ein Antropomorphismus!«
Nein, sage ich: Nicht um die Zärtlichkeit der Schnecke geht es hier – sondern um die eigene! Es geht darum, was das, was uns begegnet, in uns selbst auslöst. Der erste Impuls meines Gärtnergehirns wäre wohl gewesen: Drauftreten! Gleich zwei auf einmal erwischt!
Meine Mutter hat vor vielen Jahren einmal in einem solchen Impuls einer Schlange, die sich auf ihrer Gartentreppe sonnte, mit ihrem Spaten den Kopf abgeschlagen – danach setzte sie sich auf die Stufe und weinte bitterlich –, und bis heute hat sie sich diese spontane, aus dem ersten Schreck geborene Handlung nicht verziehen. Sie sagt immer noch: Stell dir vor, die Schlange, die Hüterin meines Hauses, die hab ich erschlagen!
So geht es oft. Also lieber ein wenig länger hinschauen! Das nennt man auch: jemandem oder einer Sache Respekt erweisen – respicere heißt noch einmal hinsehen.
Wenn ich sage, dass man auf diese Weise zu sich kommen kann, so ist das eigentlich ein Paradox. Denn man selbst, im Sinne des willkürlichen Ich, ist dann gar nicht mehr da. Man ist eigentlich nirgendwo, nicht im Raum, nicht in der Zeit, eben nirgends. Dennoch ist etwas da, nämlich Resonanz und Verbundenheit, die spürbar sind.
Das ist es, was Menschen meinen, wenn sie sagen, sie lieben es, am Meer zu sein. Sie sitzen da und schauen und nehmen das Meer – aus dem sie ja zu ziemlich vielen Prozenten selbst bestehen – in sich auf. Oder die Berge, oder die Weite des Himmels oder des Landes, oder das Sein eines Baumes, eines Kindes oder eines Gefährten. In diesen Gefilden ist die Seele zu Hause.
Deshalb: Wenn Sie etwas für sich tun wollen, dann gehen Sie im Geiste öfter einmal dorthin, wo Ihre Seele wohnt.
Zur Unterstützung finden Sie dazu eine Übung auf der CD.
Abschließend sei allen, die des Öfteren einmal an psychosomatischen Störungen leiden, Trost und Ermutigung zugesprochen. Beginnen will ich aber mit einem Kompliment an Ihren Körper – der in der hier benutzten Diktion all das Unwillkürliche umfasst, was in uns wirkt, und seine eigenen Wege geht. Dieser Körper ist klug, er merkt, was los ist, und das Beste: Er spricht Sie an. Zwar durch ein Symptom, also oft nicht so nett, aber immerhin: Wir leben ja schließlich in einer Kommunikationsgesellschaft. Zuerst einmal redet man miteinander, bevor man sich trennt – so was wie Paartherapie –, das hat noch nie geschadet. Falls ein Körper, zum Beispiel einer, der mit einer robusten Person zusammenlebt, aus Erfahrung weiß, dass seine Symptomsprache sowieso nicht gehört wird, oder wenn er sich gar davor fürchtet, gleich mit einem Chirurgenmesser traktiert oder mit Chemie zugedröhnt zu werden, könnte es nämlich sein, dass er das Verhandeln aufgibt und seinen Bewohner gleich richtig ruiniert oder sich ultimativ von ihm trennt. Auf lange Sicht behält der Körper immer die Oberhand. Seien Sie also zufrieden, wenn Sie einen haben, der sich bei Gefahr meldet, auch wenn Sie in Ihrem sozialen Umfeld als »Sensibelchen« verschrien sind. Für einen Mann ist es manchmal nicht angenehm, wenn er unter den robusten Zeitgenossen als Weichei gilt – seien Sie froh darum.
Die Ermutigung geht in folgende Richtung: Hören Sie auf Ihre innere Stimme, folgen Sie Ihren Sehnsüchten und Träumen. Die werden Sie sicher und gesund in die Zukunft geleiten. Bleiben Sie in Kontakt mit den leisen Zeichen, die Ihr Körper Ihnen sendet. Kommen Sie ihm entgegen, wenn er etwas dringend braucht. Vertrösten Sie ihn auf später, wenn es Ihnen gerade nicht passt, halten Sie, was Sie ihm versprechen. Wenn Sie das tun, werden Sie merken, dass sich diese Haltung auch auf andere Beziehungen überträgt, und das kann
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