Mein Koerper und ich - Freund oder Feind
beim Migräne-Anfall erörtert.
Kein Wunder also, dass sich viele Leute, wenn sie so etwas in ihrem sozialen Umfeld erleben oder den Verdacht haben, sie seien selbst in der einen oder anderen Richtung gefährdet, lieber ein wohl geordnetes und mittelmäßiges Leben wünschen –ohne besondere Höhen und Tiefen. Der homöostatische Gedanke legt das nahe. Genauso, wie man ein autoregulatives Heizsystem auf eine mittlere Temperatur einstellt, wobei die Heizung in Feedbackschleifen sich selbst reguliert: Wird es draußen wärmer, wird die Heizung kühler, und umgekehrt – man nennt das negatives Feedback. Bei positiven Aufschaukelungsprozessen, im Sinne eines positiven Feedbacks, oder »mehr desselben«, würde die Heizung überhitzt oder unterkühlt. So ist das auch in den lebenden Funktionssystemen, ebenso wie in der kleinen und großräumigen Ökologie. Überschießende Reaktionen müssen auch da immer mit gegenläufigen Bewegungen beantwortet werden. Bei allen komplexen, aufeinander abgestimmten Funktionsabläufen ist das so – auch in unserem Organismus.
Und doch gibt es da einen qualitativen Unterschied zu dem, was man einen Menschen nennt. Der ist zwar auch vielen Automatismen unterworfen – aber eben nicht durchgängig, da er ein Bewusstsein hat. Und das Bewusstsein, das mit dem Denken gleichgesetzt wird, versucht nicht nur, das komplexe Funktionsgefüge zu verstehen, sondern auch, es zu beherrschen. Dabei folgt es bewährten – im besten Fall wissenschaftlich abgesicherten – Regeln und Normen und fühlt sich mächtig und als Herr im eigenen Haus. Sowohl in der großen Ökologie der Umwelt wie in der kleineren Ökologie der eigenen Person hat sich das vielfach als eine Sackgasse erwiesen. Es gibt gute und schlechte Hausherren – man erkennt sie daran, wie sie mit ihren Knechten und Untergebenen umgehen. Nicht wenige Leute halten ihren eigenen Körper für einen Dienstboten, benutzen ihn für ihre Zwecke, behandeln ihn gerade so weit gut, dass er ihnen zu Diensten sein kann, versklaven ihn hin und wieder und wundern sich, wenn er sich dagegen auflehnt.
Deshalb habe ich mich in diesem Buch immer wieder zugunsten der autoregulativen, d. h. unwillkürlichen, Funktionen eingesetzt, um ihnen zu mehr Recht zu verhelfen. Aber eben nicht ausschließlich und auch nicht vorrangig, obwohl sie natürlich Vorrang haben, weil sie grundlegend sind. Da wir aber Menschen sind mit einem normenorientierten Bewusstsein, ist auch dieser Instanz Respekt und Gehör geschuldet.
Man muss nun fragen, wie eine gute Balance zwischen unserem Fühl-Wesen, anders gesagt dem Krokodil, und dem Denk-Wesen, der Rationalität, gelingen kann. Zunächst einmal müssen wir ihre Doppelnatur akzeptieren – eines ohne das andere geht nicht. Insofern ist es geboten, beiden Raum zu geben. Man nennt das polare Integration. Wenn aber die Gleichzeitigkeit, die eine Kunst ist, Lebenskunst nämlich, nicht gelingt, so haben wir doch eine ganze Lebenszeit, um jedem Pol seine Zeit und seinen Raum einzuräumen, damit letztendlich etwas Ganzes daraus werden kann.
Was also tun? – Zu sich kommen!
Nun, nachdem Sie sich ausführlich mit dem Zusammenhang zwischen dem Körper, seiner Seele und sich selbst beschäftigt haben, werden Sie fragen: Was soll ich also tun bzw. machen ?
Das ist eine berechtigte, wenngleich falsche Frage. Sie haben schon so viel getan – hören Sie nicht damit auf, aber tun Sie noch etwas anderes dazu, nämlich das Gegenteil von machen – wegen der schon oft erwähnten Ausgewogenheit, sprich Balance. Was ist das Gegenteil von Tun? Nichts tun? Faulenzen? Entspannen? Abhängen, chillen? Alles richtig.
Man könnte aber auch sagen: Das Gegenteil von Tun ist Sein . Dann können Sie tun, was Sie mögen, wenn Sie dabei spüren, dass Sie da sind. Also Ihr Da-Sein spüren. Wenn Sie bei sich sind.
Und wie macht man das? Seit Neuestem nennt man das: Achtsamkeit. Das kommt aus der östlichen Meditationspraxis und ist uralt. Haben wir jetzt auch entdeckt und uns angeeignet (siehe dazu das sehr nützliche Buch von Jon Kabat-Zinn 2006).
Das pure Da-Sein ist das Natürlichste von der Welt, kommt in der Natur dauernd vor und hat überhaupt keinen Zweck – Sinn hat es allerdings schon. Wenn man in diesen Zustand geraten möchte, aber nicht gerade Zeit hat zu meditieren, dann empfehle ich: Langsam schauen! Wenn Sie zufällig irgendetwas sehen, wenn Ihr Blick auf etwas fällt – lassen Sie ihn ein wenig länger darauf ruhen, als Sie das sonst
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