Mein Leben als Androidin
einzuleuchten. Jug gab sich unbeeindruckt. Er ließ sie machen, wartete gelassen seine Zeit ab und reagierte mit unverhohlener Belustigung auf ihre Versicherung, daß ich versucht hätte, ihren Klienten aufspüren und ermorden zu lassen, während er sich in Frontera aufhielt, um ›seinen Sohn zu retten‹. (Nicht ein Wort über Lockes rein gewinnsüchtigen Erpressungsversuch.) Angeblich hatte Locke gedroht, sich als Revanche an den Martian Inquirer zu wenden, doch mir gelang es, Blaine von meiner Unschuld zu überzeugen – der verzweifelte Versuch, noch mehr Zeit zu gewinnen, um in meiner Maske als seine getreue Ehefrau und Beraterin weiter für den Wiederaufbau von Horizont zu intrigieren.
In diesem Tenor ging es weiter, eine faszinierende Mischung aus Dichtung und Wahrheit, bis zum unvermeidlichen Höhepunkt, dem Attentat. Getreu ihrer Linie fand Dahlia sich in der paradoxen Situation, Präsident Fracass als lichte Heldengestalt preisen zu müssen, um der Jury meine vorsätzliche Untat um so deutlicher vor Augen zu führen. Keine üble Taktik, denn sie machte sich die Vorurteile der Geschworenen zunutze. Jug hätte es nicht besser formulieren können, als sie Blaines Entschluß, der Nation zu beichten, daß er von der First Lady getäuscht worden sei, dieses Mannes größte und tragischste Stunde nannte, sollte doch sein Bekenntnis zu meinem LETZTEN UND VERABSCHEUUNGSWÜRDIGSTEN VERBRECHEN führen, einer aus der Verzweiflung geborenen Tat, da ich mich gezwungen sah, meine Rolle und die des Stabschefs in der Palastverschwörung zu gestehen. Ich wußte, die Pressekonferenz am 17. Mai 2086 würde meine letzte Gelegenheit sein, für Horizont Vergeltung zu üben, weil der Präsident sich bereit erklärt hatte, mich an Locke zu übergeben.
Das letzte Bild vor dem Richtertisch war ein PBW auf den Petrifaktor in meiner ausgestreckten Hand. Die Spitze der Waffe drang knapp über der rechten Hüfte des Präsidenten in seinen Leib, und er wurde augenblicklich zu Stein. Um den Eindruck dieses abscheulichen VERBRECHENS zu verstärken, endete Dahlias Präsentation meiner Erinnerungen mit einer Standaufnahme (›Standbild‹ wäre zu zweideutig) des monumentalisierten Regierungsoberhaupts, die uns meines Erachtens unnötig lange zugemutet wurde. Es war eine Hommage an die Galerie, und sie wirkte. Eine direkte und lebendige Mahnung an das schockierende Ereignis, das allen noch frisch im Gedächtnis haftete. Unruhe machte sich breit, besonders einige der Geschworenen betrachteten mich mit tiefem Abscheu. Doch ich konnte nicht anders, als scheinbar völlig ungerührt dazusitzen und mich innerlich völlig leer zu fühlen. Die Presse interpretierte meine Haltung als eine erschreckende Demonstration von Kaltblütigkeit. Ganz bestimmt, dachte ich, waren das nicht meine Erinnerungen; unmöglich konnte ich ein derartiges Ungeheuer sein; man hatte einen Fehler begangen – das waren die Erinnerungen von jemand anderem.
Erschöpft und demoralisiert gehorchte ich ohne Gegenwehr, als mir der Kragen um den Hals gelegt und ich von meinem Stuhl gezerrt wurde, um in die Gruft zurückzukehren. Vielleicht zeigte mich die Anklage in einem vorteilhafteren Licht.
Kapitel drei
Wenn es eine Verbesserung ist, als hilfloses Opfer dargestellt zu werden, statt als verschlagene Kriminelle, dann nehme ich an, daß mein Wunsch am nächsten Tag in Erfüllung ging, denn auf dieser Linie bewegte sich Jugs Interpretation. Vielleicht war es meiner Sache dienlich, aber ich fand es kaum schmeichelhaft, als DEFEKTE EINHEIT charakterisiert zu werden. Ich hatte das Gefühl, daß er mich verriet, besonders in seiner Vorrede, als er sagte, daß ich durch die Schuld meines Gebieters schon im ersten Jahr meiner Indienststellung zwei Systemzusammenbrüche erlitten hätte und zu einem willenlosen Geschöpf reduziert worden wäre, einem Nichts, das eine lange Reihe von Personen und Organisationen nach Belieben programmieren konnten.
Er bedauerte, die Zeit der Geschworenen in Anspruch zu nehmen und ihre Geduld strapazieren zu müssen, aber da die Verteidigung nun einmal darauf bestanden hatte, die Gedächtnisdatei in die Beweisaufnahme einzubeziehen, sah er sich gezwungen, die Unschuld des Beweisstücks zu belegen und die Schuld des Angeklagten. Er wollte sich aber darauf beschränken, die für den Fall relevanten Szenen richtigzustellen. »Im Gegensatz zu der Verteidigung wird meine Präsentation kurz und präzise sein.« Mit diesen Worten winkte er dem Vorführer,
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