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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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Wahnvorstellungen.«
    »Daß Sie sie liebten, zum Beispiel?«
    »Ich kann mich nicht genau erinnern. Jene Zeit ist für mich nur mehr ein verschwommener Fleck. Vielleicht liebte ich sie – die Möglichkeit besteht. Aber ich kann es nicht mit Sicherheit behaupten.« Kryptisches Lächeln. »Tut mir leid.«
    »Ja oder Nein, bitte. Haben Sie sie geliebt?«
    »So würde ich es nicht formulieren.«
    »Nein? Sollen wir dem Gericht das zärtliche Intermezzo auf dem Wohnzimmerteppich nochmals vorführen oder Ihren Besuch im Lagerhaus von Hals Filiale? Was für einen liebenden Partner und stolzen Vater Sie abgegeben haben! Oder sollen wir Ihnen mit dem entsprechenden 3D-Material ins Gedächtnis rufen, wie Sie beide auf hoher See das Wesen der Liebe diskutierten? Damals äußerten Sie sich überzeugend gefühlvoll. Und es existieren so sprechende Bilder von einem Frohmat in der Armstrong-Kommune, auf deren Vorführung wir aus Gründen des Anstands verzichtet haben, doch wir könnten uns entschließen, moralische Bedenken zurückzustellen, um Ihre Erinnerungen aufzufrischen.«
    »Ich habe bereits zugegeben, daß ich zu der Zeit geistig verwirrt gewesen bin. Deshalb kann ich mir unter Umständen eingebildet haben, diese Einheit zu lieben und von ihr wiedergeliebt zu werden. Aber das ist selbstverständlich unmöglich. Mit Verlaub, ein Androide kann nicht die leiseste Vorstellung davon haben, was Liebe ist.«
    »Ihre Gefühle stehen zur Debatte, nicht die meinen.«
    »Sie sind nur im Zusammenhang mit meiner damaligen Gemütsverfassung zu verstehen.«
    »Das will ich nicht bestreiten«, erwiderte Dahlia und gab vor, von seinem Scharfsinn beeindruckt zu sein. »Lassen Sie mich folgendes fragen: Gehörten zu Ihrer Dementia Gefühle akuter Feindseligkeit und Rivalität in bezug auf Ihren Vater? Sie lagen im Wettstreit um dasselbe ›Mädchen‹, oder nicht?«
    »Möglicherweise habe ich etwas in dieser Richtung empfunden. Zu den großen Vorzügen meiner Therapie gehört auch, daß Standardneurosen dieser Art ohne Aufpreis gleich mit ausgemerzt werden. Es war ein Inklusivangebot.«
    »Dann frage ich mich, aus welchem Grund Sie es darauf abgesehen haben, Ihren Vater zu vernichten – zu VERNICHTEN? Sie sind zu klug und gebildet, um nicht zu begreifen, daß Sie mit Ihrer Aussage der Sache Ihres Vaters schaden.«
    »Das ist eine unerhörte Anschuldigung, die ich nachdrücklich zurückweise. Ich empfinde unendliche Liebe für meinen Vater. Ich respektiere ihn. Ich wünschte mir aus ganzem Herzen, ich könnte etwas tun, um die Last von seinen Schultern zu nehmen, doch er selbst würde nicht wollen, daß ich seinetwegen einen Meineid schwöre.«
    (Ich warf einen raschen Blick auf den Angeklagten. Er schien tief gerührt zu sein, aber keineswegs mit der letzten Feststellung übereinzustimmen.)
    »Ist es das, was Sie von mir verlangen, verehrte Frau Anwältin?«
    »Ich verlange von Ihnen eine aufrichtige Beurteilung der Einheit, die Sie vor sich sehen. Eine sowohl von Ihren jetzigen Überzeugungen und Vorurteilen unbeeinflußte Beurteilung wie von denen, die nach Ihren Angaben damals Ihr Denken bestimmte, denn sie zumindest hat sich nicht verändert. Ihr fehlen die Erinnerungen, aber davon abgesehen ist sie dieselbe Einheit, die Sie vor Jahren geliebt haben. Schauen Sie sie an und sagen Sie mir dann, daß Sie nichts weiter vor sich sehen als eine funktionsgestörte Einheit, für die Sie kein Bedauern empfinden und auch nichts sonst. Wenn Sie das behaupten können, sind Sie weniger Mensch als jeder Androide.«
    »Einspruch! Müssen wir uns dieses theatralische Gefasel anhören? Das ist doch sentimentaler Unsinn.«
    »Wenn ich in meiner Befragung fortfahren darf, wird selbst der Anklagevertreter begreifen, worauf ich hinauswill.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Vielen Dank, Euer Ehren. Der Zeuge wird bitte das Beweisstück Eins ansehen und eine ehrliche Beschreibung seiner Eindrücke geben.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich zu mir herum, warf mir einen kurzen, durchdringenden Blick zu und gab durch ein bedeutungsvolles Hochziehen der Augenbrauen zu verstehen, daß sie auf meine genugsam dokumentierten Verführungskünste zählte, denn offensichtlich war sie ohne Schützenhilfe nicht in der Lage, seine fest etablierte neue Konditionierung zu erschüttern. Doch ihr helfen bedeutete, meinem Gebieter zu helfen, und das diente kaum meinen eigenen Interessen, also ignorierte ich ihre unausgesprochene Bitte und bemühte mich um einen leeren,

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