Mein Leben als Androidin
die sie hier unten haben, fürchte ich. Es ist ein erbärmliches Dasein, das wir fristen.« Sie seufzte. »Wenigstens brauchen wir es nicht mehr lange zu erdulden.« Dann, wehmütig: »Du bist noch so jung und hübsch. Wie schade, daß es nicht so bleiben wird.« Sie richtete geistesabwesend den Blick in die Ferne. »Einst waren wir alle jung und hübsch. Aber das ist Monate her.« Dann sah sie wieder mich an. »Bald wird der Beschleuniger zu wirken beginnen. Es ist besser, wenn du gleich Bescheid weißt.«
Immer noch halb betäubt, setzte ich mich auf und stellte fest, daß die übrigen Insassen Abstand wahrten, seit einige ihrer Gefährten sich meiner angenommen hatten. Sie beschäftigten sich anderweitig, wanderten an der Barriere entlang oder lagen kraftlos auf den zerschlissenen Matratzen und rieben und kratzten sich die schuppige Haut wie von Flöhen zerstochene Affen. Ein unternehmungslustiges Grüppchen von Jüngeren nutzte die Turngeräte, doch nur aus reiner Langeweile, und auch sie schienen sich wie in Zeitlupe zu bewegen. Die Beobachtungskabine unter der Decke war jetzt leer, das Licht erloschen.
»Beschleuniger?« fragte ich in großer Angst.
»Ja«, antwortete sie und erklärte, daß die Platte, auf die ich unmittelbar vor meinem Sturz in den Pferch die Hand gelegt hatte, mir eine Droge injizierte, deren Wirkung darin bestand, daß ich innerhalb weniger Wochen wie ein Mensch alterte. Es war ein Initiator, sozusagen, denn darauf folgte das im Experimentalstadium befindliche Gegenmittel zur Aufhaltung und Umkehrung des Alterungsprozesses, an dessen Entwicklung man in der Klinik arbeitete. Beim Streben der Gebieter nach ewigem Leben waren wir die Meerschweinchen. Wie ich an ihrem Beispiel sehen konnte, waren die Ergebnisse bisher alles andere als ermutigend, doch Mißerfolge motivierten Dr. Benway nur um so mehr.
»Wie lange bleibt mir noch?« fragte ich meine gütigen Leidensgefährten.
»So lange, wie es deiner normalen Lebensspanne entspricht«, erwiderte die Frau. »Wie, sagtest du, ist dein Name? Ich hörte die anderen dich Lady Fracass nennen, aber das kann unmöglich stimmen, trotz der Ähnlichkeit.«
Diesmal gab es kein inneres Ringen, denn das T-Max hatte aufgehört zu wirken. »Ihr könnt mich ruhig Molly nennen.«
»Sehr gut. Ich bin Matilda, und das ist Bernard.« Der Großvater, der mich gefüttert hatte, streckte die zitternde Hand aus. »Erfreut, deine Bekanntschaft zu machen.« Ich erwiderte seinen Griff mit größter Behutsamkeit. »Und ich bin Freddy«, meldete sich das dritte Mitglied der Truppe, eine kahlköpfige und verwelkte Greisengestalt.
»Freddy kann dir mehr über den Beschleuniger erzählen«, sagte Matilda. »Er ist ein halber Gelehrter. Freddy, würdest du so lieb sein? Unsere Freundin sieht immer noch etwas verwirrt aus.« Er war sichtlich gern bereit, sein Wissen zu teilen. Nachdem er seine Kehle von einer scheinbar unendlichen Menge Schleim freigeräuspert hatte, erläuterte er, daß das bewußte Mittel durch Aufhebung der in der DNA verankerten Altersbremse den Degenerationsprozeß auslöste. Unser VVD wird davon nicht beeinflußt, deshalb bleibt unsere Lebensspanne unverändert. Der Prozeß verläuft in zwei Phasen. Erst kommt es zu einer rapiden Anpassung an unser menschliches Äquivalenzalter – genauer gesagt, das Alter holt uns ein; dem folgt ein langsamerer Verfall, während die Einheit sich ihrem VVD nähert.«
»Wie ist dein Herstellungsdatum?« unterbrach ihn Matilda. Ich sagte es ihr. »Und du bist ein P9, wenn ich richtig sehe.« Ich nickte. »Dann bist du mindestens siebzehn, dein menschliches Äquivalenzalter läge also bei zweiundsechzig. Ach, ihr P9 könnt euch glücklich schätzen mit eurem zwanzigjährigen VVD! Ich bin ein Daltoni, mit einer Lebensspanne von lausigen zwölf Jahren, deshalb welke ich schneller dahin, als es bei dir der Fall sein wird.«
»Tut mir leid.«
»Läßt sich nicht ändern.«
»Erst hielt ich euch alle für Semis.«
Bernard meldete sich zu Wort und klärte mich über diesen Punkt auf. Jede Einheit in unserem Pferch war ein echter Androide der neunten Generation. Er zum Beispiel war ein Sony; je weiter aber der Alterungsprozeß voranschreitet, desto mehr schwinden auch solche Unterscheidungsmerkmale wie individuelle Ausführung und Firmendesign: Zum Schluß sehen wir alle gleich aus, nur unsere VVDs sind verschieden. Semis gab es auch, sagte er, in einigen der anderen Pferche, einer davon lag unmittelbar hinter uns. Er
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