Mein Leben als Androidin
und flog davon. Ich sah mich um und bemerkte einen IBM-Betreuer, der auf mich zukam. Er führte mich zu einer Tür und dann eine kurze Treppe hinunter zur Rezeption, wo eine patente und liebenswürdige GA mich begrüßte.
»Gut, gut, wenn das nicht Beweisstück Eins ist. Wir haben Sie bereits erwartet.« Sie trug meinen Namen in eine Art Liste ein und nickte anschließend dem Betreuer zu, der mich durch ein halbes Dutzend Korridore zur Aufnahme führte. Dort gab man mir ein schlichtes weißes Hemd. »Das ist doch nicht für die Stallungen?« fragte ich. Mir war plötzlich sehr beklommen zumute. »Man hat mir versprochen, es gäbe keine Stallungen mehr.« Die Einheit lächelte und schüttelte den Kopf. Offenbar fand man meine Befürchtungen einigermaßen komisch. »Hier entlang zur Untersuchung, bitte«, sagte der Betreuer und führte mich hinaus. – »Standardprozedur für all die großen Stars, richtig?«
»Wie Sie wünschen«, erwiderte er.
Sobald ich mich etwas eingelebt habe, muß ich etwas tun, um das Los der Dienstboten zu verbessern, überlegte ich, vergaß es aber gleich wieder. Ein paar Dinge gingen mir immer wieder durch den Kopf: Ich war Zeugin eines Treffens gewesen, bei dem sehr Vertrauliches besprochen wurde; ich hatte den Gebieter aller Gebieter gefickt, ihm eine Wahrheitsdroge verabreicht, ihn ausgefragt und noch geheimere Informationen erfahren; ich hatte ihm die Spule entwendet, und als wäre das nicht genug gewesen, hatte ich ihn geohrfeigt! Hatte Micki tatsächlich Vertrauen zu mir – daß ich nicht reden würde? Wollte ich? Sollte ich? Oder war ich ihm jetzt verpflichtet? Guter Chef, zählte er auf mein Ehrgefühl?
Die Routineuntersuchung bestand in einem gründlichen Psychotest. Das leise Summen der Geräte war insofern beruhigend, als es mich von meinen Gedanken ablenkte. Eine angenehme Überraschung. Die Techniker waren ebenfalls angenehm überrascht, weil es keinen IZ zu entfernen gab – weniger Arbeit für sie. Anschließend wurde mir von dem Betreuer mitgeteilt, daß die Untersuchung beendet war und ich mich jetzt in mein Quartier begeben könnte. Er half mir auf ein schmales Förderband, das zu einer geheimnisvollen Türöffnung am anderen Ende des Raums führte. »Zum Dormitorium der Stars?« fragte ich über die Schulter.
»Wie Sie wünschen.«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir umgehend einen Holoviewer aufs Zimmer schicken zu lassen?«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Na, das war eine erheblich vernünftigere Antwort, dachte ich, während das Förderband durch einen engen, schlecht beleuchteten, röhrenförmigen Gang rumpelte, der kaum meinen Schultern Platz bot. »Wenn es zu lange dauert, rufe ich einfach den Zimmerservice und lasse mir einen bringen.« (Ich konnte es kaum erwarten, mit meinen Erinnerungen Bekanntschaft zu schließen.) Bald fiel mir auf, daß es in der linken Wand etwa alle fünfundzwanzig Meter eine numerierte Tür gab: ›Kolonie A‹, ›Kolonie B‹, ›Kolonie C‹ und so weiter. Ich glaube, ich passierte fünfzehn von diesen Türen, bevor das Endlosförderband an der Tür zu ›Kolonie 0‹ zum Stillstand kam. Wie die anderen bestand sie aus poliertem Edelstahl und hatte keinen Griff. Äußerst rätselhaft. Ich trat auf eine kleine Plattform vor diesem eigenartigen Portal in der Erwartung, es werde sich im nächsten Moment längs der Mitte öffnen oder majestätisch emporgleiten, als dramatische Einladung, die luxuriöse Superstar-Suite dahinter zu betreten. Mit etwas Glück war es ein Apartment in einem der oberen Stockwerke, mit unverbauter Aussicht. Links von der Tür schnellte eine kaum mehr als handtellergroße rechteckige Platte aus der Wand. In der Mitte hatte sie ein kleines Loch. Aus einem winzigen Lautsprecher im Rand der Platte ertönte eine Stimmaufzeichnung. »Bitte legen Sie Ihre linke Hand über die Öffnung.« Ich gehorchte, denn ich hielt es für eine Art Sicherheitsüberprüfung. Dann fühlte ich ein Kitzeln in der Handfläche. War das eine Injektion? Erschreckt zog ich die Hand zurück, doch gleichzeitig schoß ein Teleskoparm aus der anderen Seite des Türrahmens und prägte mir mit dem Laser meine Fabrikationsnummer P9HD 20-XL17-504 in die Haut an meiner rechten Wade. Ich hatte nicht einmal Zeit für einen Aufschrei, denn im nächsten Moment erhielt ich einen heftigen Stoß in den Rücken, stolperte durch die jetzt offene Tür und fiel …
BUCH FÜNF
Zurück auf der Erde
2087-89
Kapitel eins
Nein, ich
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