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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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»Deine Bewerbungsspule, vermute ich?« Ehe ich danach greifen konnte, warf sie den kostbaren Gegenstand in die Luft und gab den Anstoß zu einem spontanen Ballspiel mit katastrophalem Ausgang, als nämlich die Spule zu Boden fiel und zertreten wurde. Außer mir vor Verzweiflung sank ich auf die Knie, sammelte die Trümmer auf und klagte schluchzend: »Mein Leben! Mein Leben!«
    Ein wenig schuldbewußt und zerknirscht, hatte eine dieser senilen Gestalten den Nerv, mich zu trösten: »Lohnt sich nicht, wegen einer zerbrochenen Spule zu heulen, Kindchen. Es gibt keine Holoviewer im Pferch.«
    »Pferch?« Ich hob den Kopf und wischte mir die Augen; eine beklemmende Angst ergriff von mir Besitz. »Meint ihr etwa die Stallungen? Man hat mir versprochen, die gäbe es nicht mehr.«
    »Stallungen?« Die Xanthippe legte den Kopf schräg und musterte mich befremdet.
    »Sind hier … Oh, man hätte mich nie herschicken dürfen.« Ich drückte die winzigen Bruchstücke an die Brust. »Es ist alles ein schrecklicher Irrtum – ein Fehler der Verwaltung. Diese dumme Empfangseinheit muß mich für die Abteilung der Ausgemusterten eingetragen haben. Ich werde zurückgehen und mir den Weg zum Quartier der Hauptdarsteller erklären lassen müssen. Nein? Es gibt kein Quartier der Hauptdarsteller? Und hier ist nicht die Abteilung für die Ausgemusterten? Bitte, sagt nicht, hier ist die Rehabilitation.«
    »Schön wär's.«
    Nachdem ich hart geschluckt hatte, unterzog ich meine Umgebung einer genaueren Überprüfung. Der Pferch war kreisrund und hatte einen Durchmesser von grob geschätzt fünfundzwanzig Metern. Begrenzt wurde er nicht von Gittern oder Mauern, sondern von einem elektronischen Puffersystem, das sich nur durch ein verräterisches Flimmern der Luft bemerkbar machte und undurchdringlicher war als jede stoffliche Barriere. Um uns herum gab es weitere Pferche, gleich groß, ebenfalls bevölkert, und da die transparenten Wände den ungehinderten Ausblick auf immer noch mehr Abteilungen ermöglichten, entstand der Eindruck einer riesigen, hermetisch versiegelten Kammer mit Dutzenden von Petrischalen. Ich schaute nach oben und sah, daß auch in unserer Kolonie, wie bei den anderen, eine große, ausfahrbare Hand in der Mitte der Decke montiert war. Sie war zu einer Faust geballt und mit einer dünnen Schicht Phytogewebe überzogen. Die Insassen, erfuhr ich, nannten sie ›den Greifer‹. Außerdem befand sich unter der Decke eine gläserne Beobachtungskabine. Ich konnte mehrere weißbekittelte Techniker erkennen, die zu uns herabschauten. Einer von ihnen hielt ein schnurloses Mikrofon in der Hand, und sein Blick schien direkt auf mich gerichtet zu sein. Seine Stimme dröhnte aus den Lautsprechern: »Wie schön, Sie wiederzusehen, Beweisstück Eins. Willkommen in der Benway-Klinik!«
    Es war der werte Herr Doktor höchstpersönlich. Mir wurden die Knie weich, und die Bruchstücke der Spule entglitten meinen Fingern. Das also war meine neue Karriere – Versuchsobjekt in einem medizinischen Forschungslabor. Deshalb hatte Gebieter Dee mir meine Erinnerungen und meinen Stolz gelassen: Was konnte ich hier schon damit anfangen! Jetzt verstand ich auch unseren Abschied: Sein Kuß war ein Todeskuß gewesen! Ich wurde ohnmächtig und fiel zum dritten Mal und endgültig zu Boden.
    Als ich zu mir kam – wer weiß, wieviel Zeit vergangen war? –, lag mein Kopf im Schoß einer gebrechlichen alten Frau mit langem, strähnigem grauen Haar. Zwei andere Einheiten, beide männlich und ebenfalls im Greisenalter, saßen neben ihr. (Ich konnte mich nicht entsinnen, das Trio bei meinem Empfangskomitee gesehen zu haben.) Sie betrachteten mich mit Sympathie und Sorge. Die weibliche Einheit stützte meinen Kopf, damit einer ihrer Gefährten eine Flasche mit Nährlösung an meine Lippen halten konnte – das heißt, er versuchte es, aber seine arthritische Hand zitterte so stark, daß ich selbst zugreifen mußte. Zwar fühlte ich mich ausgehungert, doch war es Jahre her, daß ich etwas dermaßen Scheußliches gekostet hatte. Nach ein oder zwei Schlucken mußte ich würgen und spuckte das eklige Gebräu wieder aus. »Zuerst fällt es schwer, aber wir haben uns alle dran gewöhnt«, erklärte die Alte. Sie bestand darauf, daß ich trank, denn eine andere Nahrung gab es hier unten nicht. »Es tut uns leid, wie du hier empfangen worden bist. Uns fehlt die Kraft, sonst hätten wir sie zurückgehalten. Es ist ein grausamer Spaß, aber die einzige Unterhaltung,

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