Mein Leben als Androidin
Pritsche, ich wanderte in dem Zwischengang auf und ab. Aha! Eva hatte sich von einem gebrochenen Herz nicht von ihrem Ziel abbringen lassen; vielmehr hatte sie die Gelegenheit ergriffen, selbst Lady Fracass zu werden, ohne Zweifel mit Harry Boffos Unterstützung. Oh, er mußte mehr als bereit gewesen sein, sie als Ersatz zu akzeptieren, um den Heiratsplan doch noch unter Dach und Fach zu bringen – und auch der Reverend hatte gewiß keine Einwände gehabt, blieb doch für ihn alles beim alten, denn er bekam eine Frau, vor der er sich keinen Zwang aufzuerlegen brauchte, und nützte auf diese Weise seiner Karriere wie auch seinen Gelüsten.
Die letzte Erinnerung an meine Zeit auf der Erde war bei weitem die schlimmste, die absolut schlimmste. Ich erwachte in einer Transportkiste, denn mein Bett sowie alle übrigen Möbel waren von den Umzugseinheiten aus dem Haus geschafft worden. Eva und Harry standen nicht weit von mir entfernt in der Eingangstür. Sie unterhielten sich darüber, was aus mir werden sollte. Ich war so schwach – betäubt wahrscheinlich –, daß ich dem Gespräch kaum zu folgen vermochte, trotzdem lief es mir kalt den Rücken hinunter. Eva hatte Harry anscheinend über meine wahre Natur im unklaren gelassen und klärte ihn jetzt nur deshalb auf, weil sie in der Klemme saß. Sie hatte mich gesund gepflegt, um mich für einen guten Preis verkaufen zu können, zusammen mit dem übrigen Zeug, das sie nicht auf den Mars mitnehmen wollte, aber sämtliche Interessenten, die sich auf ihr Inserat im Interplanetaren Recycler meldeten, schreckten davor zurück, eine Einheit ohne ordentliche Identifikation und Papiere zu erwerben. Mich auf dem Schwarzen Markt für ein Butterbrot zu verhökern, brachte sie nicht über sich; sie konnte es auch nicht riskieren, die AÜ zu benachrichtigen, weil man ihr peinliche Fragen betreffs der Beherbergung eines Flüchtlings stellen und vielleicht sogar eine gerichtliche Untersuchung einleiten würde. Sie hatte sich das Gehirn nach einem Ausweg zermartert, aber ohne Erfolg, und jetzt sollte sie in einer halben Stunde am Raumhafen sein – sie war mit ihrer Weisheit am Ende. Ihr zuliebe, würde er mich wieder für die Agentur arbeiten lassen? Die Kunden würden den Unterschied nicht merken, immerhin war ihnen auch früher nichts aufgefallen.
Harry tadelte sie dafür, daß sie diese ›bizarre Entwicklung‹, wie er es nannte, so lange geheimgehalten hatte. Überrascht war er nicht, denn ihm war ihre Geschichte, daß ich meine Meinung über die Heirat erneut geändert hätte und mich in Minnesota zur Ruhe setzen wollte, von Anfang an recht merkwürdig vorgekommen. »Es sah Angelika ganz und gar nicht ähnlich. Was du mir jetzt erzählt hast, ist ein gelinder Schock, aber weit glaubhafter. Sie war beinahe zu perfekt in ihrem Beruf, um ein Mensch zu sein.« Doch statt mich wieder zurückzunehmen, hatte er eine viel bessere Idee: Das Studio hatte einen unersättlichen Appetit auf neue Talente und war nicht abgeneigt, gelegentlich Einheiten auch ohne Zertifikat, quasi durch die Hintertür, zu erwerben, vorausgesetzt, sie wurden von den richtigen Leuten angeboten – in diesem Fall von ihm. Ein gewisser, äußerst einflußreicher Großaktionär (Micki Dee?) war sehr davon angetan gewesen, wie er die Sache mit der Heirat des Reverends organisiert hatte, weil dadurch die Verwirklichung irgendwelcher auf längere Zeit ausgelegter Pläne auf dem Mars ermöglicht wurde. Es war bestimmt nicht abwegig, auf eine baldige Beförderung zu hoffen, wenn man auch noch nichts Genaues wußte. (Er hoffte auf den Posten des Geschäftsführenden Vizepräsidenten, Interplanetare Produktion.) In ein paar Tagen wollte er nach Hollymoon fliegen, um sich umzuhören. Es wäre die einfachste Lösung, mich als Zusatzgepäck mit auf die Reise zu nehmen. Wenn er mich als bescheidene Spende den Stallungen des Studios zukommen ließ, als Zeichen seiner Wertschätzung, konnte das seinen Aussichten nicht schaden. Auf diese Art gelang es Eva schließlich, sich meiner zu entledigen. Wie grausam ich sie verletzt haben mußte, daß sie mich ausrangierte wie ein altes Möbelstück! Zugegeben, ich hatte sie über Jahre hinweg belogen und getäuscht, aber was warf dieses skurrile kleine Geschäft, das sie eben mit Harry abgewickelt hatte, für ein Licht auf ihre eigene Menschlichkeit!
Kapitel zwei
Wieder gefangen und ein von Programmen gesteuerter P9 zu sein, war unerträglich. Ganz bestimmt wäre ich schließlich
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