Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
Halt aus, der Nebendarsteller-Etage; weitere Einheiten verließen den Fahrstuhl auf der Etage der Kleindarsteller, Untergeschoß Drei, während ich mit der Mehrheit zu der untersten und meistbevölkerten Region transportiert wurde, Untergeschoß Vier, Heim der Statisten, Doubles und Wegwerfexemplare. Von Unbehagen erfüllt, wanderte ich an Reihen untätiger Einheiten vorbei, die abrufbereit auf ihren Pritschen lagen und auf den nächsten Einsatz warteten. Die düstere, purpurgelbe Beleuchtung verbreitete eine unheimliche Leichenhausatmosphäre, die selbst dem scharfen Auge eines P9 zu schaffen machte, deshalb schloß ich die Lider und ließ mich von den internen Impulsen des Logistikprogramms zu meiner Pritsche führen.
    Ganz sicher war auch dies wieder nur ein Traum, dachte ich, als ich mich auf Pritsche dreihundertachtzehn niederlegte (das erklärte meinen neuen Titel) und allmählich in Relaxo versank – ein Fiebertraum, aus dem ich bald erwachen würde, um mich in Malibu wiederzufinden. Soweit ich es in meiner jetzigen Lage zu beurteilen vermochte, war mein Dasein dort zumindest die glaubhafteste Existenz gewesen und im günstigsten Fall sogar das wirkliche Leben. Doch als ich wieder zu mir kam, suchte ich gerade Deckung vor herabprasselnden Ziegeln und Glassplittern in einer blutrünstigen Massenszene für das Remake von Catastrophe!, dem klassischen Holo aus dem Jahr 2048 über das Los Angeles-Beben von 2035. Um der historischen Genauigkeit willen waren die Trümmer echt, mit dem Ergebnis, daß viele der weniger wertvollen Einheiten zerquetscht und verstümmelt wurden, während ich überlebte, wenn auch unter einer Tonne Schutt begraben.
    Als nächstes war ich Stewardeß auf einem Marsraumer, der nach einem Meteoreinschlag manövrierunfähig im All schwebte; dann die weibliche Hälfte eines Statistenpaares in einer Restaurantszene (die erlesenen Speisen, die uns aufgetischt wurden, bestanden aus einer gefärbten Paste, die im Hals klebte wie Kleister). Ich agierte als Geschworene in einem packenden Justizdrama, dann als Mitglied einer Bande entlaufener Droiden, die eine Gruppe von Menschen in einem Konsumorbiter terrorisierten. Diesen Einsätzen folgte eine viel zu lange Reihe ebenso langweiliger und unbedeutender Auftritte, wenn ich auch zugeben muß, daß ich die Terroristenrolle genoß. Sie verschaffte mir eine gewisse Erleichterung, und ich hoffte sogar, die Produktion, Terror Orbit, möchte ein Erfolg sein, damit ich die Chance bekam, in der Fortsetzung wieder mitzuwirken. Meiner Ansicht nach war das gewalttätige Spektakel auf seine Art erheblich weniger anstößig und weitaus ehrlicher als die Adaption meiner eigenen Lebensgeschichte Jahre später.
    Doch keine Beschreibung meiner ersten Zeit auf dem Mond als programmierte Aktrice, wenn auch anfangs nur als Statistin, wäre vollständig ohne die Erwähnung meiner Arbeit außerhalb der Studiohallen, vor Ort im nahegelegenen Armstrong. Bei meinem ersten Einsatz dort glaubte ich, mich immer noch im Studio zu befinden, denn die Stadt erweckte durchaus den Eindruck einer gigantischen Holokulisse, mit ihren untereinander verbundenen, vielfarbigen, semitransparenten Biokuppeln – jede davon mindestens zehn Meilen im Durchmesser –, die sich als gewaltige Wunderwerke über den wimmelnden, geschäftigen, engen Straßen wölbten. Ich war maßlos überrascht, als am Ende des Drehtags wir, die Akteure, entfernt wurden und nicht diese phantasmagorische und unwirkliche Stadt, doch mit der Zeit wurden mir einige Gebiete recht vertraut, in denen wir immer wieder zu filmen schienen, zum Beispiel der Esprie-District mit seinen florierenden Hotelcasinos und die heruntergekommenen, mit einer erschreckend hohen Verbrechensrate geschlagenen Viertel um die Apollolandungsgedenkstätte und das Museum, die Haupttouristenattraktionen. Schon bald betrachtete ich diesen hektischen und unbeständigen Ort als eine Art Berührungspunkt mit der Realität, und ich richtete den Blick über die abgesperrten Drehorte hinaus, um mir Straßennamen einzuprägen, Gebäude, Straßenkreuzungen und andere markante Punkte, immer mit dem Gedanken an eine eventuelle Flucht.
    Zwischenzeitlich war ich verzweifelt darum bemüht, mir ins Gedächtnis zu rufen, wie ich nach Hollymoon gekommen war, denn sämtliche Ereignisse zwischen meiner Ohnmacht in Malibu und meinem Erwachen als Schauspielerin in Orbiter Sieben blieben unklar und verschwommen. Schuld daran war der kumulative Effekt der beinahe

Weitere Kostenlose Bücher