Mein Leben als Androidin
täglichen Rollenprogrammierung. (Der Befehl, aufzuwachen und dem Spender neben der Pritsche meine Datapille zu entnehmen, kam von einem in den Leinwandbezug eingewobenen Textillautsprecher, wann immer mein Erscheinen am Drehort gewünscht wurde.) Doch trotz dieser ständigen Störfaktoren war ich überzeugt, mehr zu sein als lediglich die Summe meiner Rollen – nicht nur wegen der realen Erinnerungen, die gelegentlich an die Oberfläche drangen, wie zum Beispiel flüchtige Bilder von Eva und mir im Bett, sondern auch wegen eines einzigen, aber handfesten Beweises, so eindeutig und unanfechtbar, daß es jeden verbliebenen Zweifel an einem früheren, selbstständigen Leben ausräumte. Ich spreche von der Narbe auf meinem Rücken, die von der Laserwunde zurückgeblieben war. Eines Tages, während ich von einer Garderobendrohne in ein tief dekolletiertes Abendkleid gesteckt wurde, entdeckte ich sie im Spiegel. Von der Größe und Form einer Birne, war sie eine Nuance dunkler als meine normale Hautfarbe und ähnelte einem Schönheitsfleck. Sie bestätigte mir, daß ich tatsächlich angeschossen worden war, daß es Eva, Gebieter Locke, Tad, Roland und all die anderen wahrhaftig gegeben hatte. Außerdem brachte der Anblick die Erinnerung an jenen Tag zurück, als ich im Wohnzimmer der Lockes mein volles Bewußtsein erlangte und zum erstenmal mein Gesicht im Spiegel sah – ein assoziativer Sprung, der mich zu meinen Anfängen zurückführte und mir, wie man sich denken kann, einen ziemlichen Schock versetzte, zumal er einen Gedächtnisschub auslöste, der mir meine Vergangenheit wiedergab. Der Prozeß verlief anfangs ziemlich langsam, beschleunigte sich aber bald, als ich aufhörte, die Datapillen einzunehmen, und mich ihrer heimlich in der Dusche entledigte, die wir vor Kostümempfang und Schminken aufsuchen mußten. Ein äußerst mutiger Entschluß, denn ohne sie war ich gezwungen, während des Drehens zu improvisieren, aber das erwies sich als nicht besonders schwierig, weil ich zu der Zeit noch keine Sprechrollen bekam.
Wäre es nur ebenso einfach gewesen, das letzte und faszinierendste Teil meines Erinnerungspuzzles herbeizuzwingen, nämlich die Ereignisse, die zu meiner Anwesenheit in Hollymoon führten; aber diese sieben bis acht Wochen dauernde Periode zwischen meiner Verwundung und dem Erwachen am Drehort war zum Teil im Koma verloren oder von Fieber entstellt. Erst nach vielen Stunden, vielleicht Tagen, intensivster Konzentration während der Ruhezeiten auf meiner Pritsche hatte ich genug Fragmente aufgespürt, um mir einen groben Überblick darüber verschaffen zu können, was geschehen sein mußte. Die erste einigermaßen aussagekräftige Erinnerung war ein verschwommenes Bild von Eva, die auf mich herunterschaute. Ich lag auf dem Bett im Gästezimmer, wohin der Butler mich getragen haben mußte, kurz nachdem ich im Wohnzimmer die Besinnung verloren hatte. Daß man mich hierher geschafft hatte statt in unser gemeinsames Schlafzimmer, war ein schlechtes Vorzeichen, wie auch der kalte Ausdruck in den Augen meiner früheren Herzallerliebsten, doch mein fieberndes Hirn hatte mir eingeflüstert, daß noch Hoffnung bestand, denn sie hatte mich immerhin nicht aus dem Haus geworfen und sorgte dafür, daß ich gepflegt wurde.
Das zweite Mal erwachte ich aus einem langen und unruhigen Schlaf, weil Annette mich auf die Seite drehte, um meine Wunde zu reinigen und zu verbinden, die sich inzwischen schwarz verfärbt hatte und verschorft war. Ich sah, daß sie Schwesterntracht trug, und fühlte mich dadurch eher verwirrt als beruhigt. Mit der Abgebrühtheit des wahren Profis ignorierte sie meine Beschwerden über die beträchtlichen Schmerzen, die sie mir bereitete, und ließ dazu die verletzende Bemerkung fallen, daß die gnädige Frau sie für diese Aufgabe programmiert hatte, damit sie sich nicht persönlich um mich zu kümmern brauchte. In anderen Worten, man hatte mich ihr aufgehalst. Als ich protestierte und Eva zu sehen verlangte, erwiderte sie: »Sie sind noch nicht in der Lage, Besuch zu empfangen«, und belehrte mich über die Bedenklichkeit meines Zustands: Abgesehen von dem großen Plasmaverlust hatte ich besorgniserregend hohes Fieber und war in der vergangenen Woche zweimal der Termination nahe gewesen. »Ich möchte Eva sehen«, flehte ich. »Es tut mir leid, aber meine gnädige Frau hat zur Zeit Besuch von Gebieter Fracass.« Bei diesen Worten verlor ich erneut das Bewußtsein.
Es hielt mich nicht auf der
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