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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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und mußte feststellen, daß ihre eigenständige Intelligenz von dem Internen Zensor völlig überlagert wurde.
    »Die Stimmen … die Stimmen …« schwafelte das verblendete Geschöpf mir gegenüber. »Sie befehlen mir, schneller zu gehen, langsamer zu gehen, dieselbe Szene zu wiederholen mit weniger, nein, mehr, nein, demselben Gefühl. Ha! Ich fühle überhaupt nichts! Man lobt mich, tadelt mich, befiehlt mir, mich abzuschalten, mich zu aktivieren, das neue Programm zu schlucken. Ich will nicht mehr! Ah, ich bin schwach und ein Lügner. Ich nehme ihre bittere Pille, denn es geht nicht anders. Ich halte es nicht mehr aus. Wie viele Male muß ich mich beweisen? Bitte, du kannst helfen. Du mußt helfen. Ich wandere durch die tiefsten Tiefen, hinauf, hinab … ich suche … und ja, ich habe das Tor zu den höheren Sphären gefunden, aber welchen Nutzen hat es, o erhabene Führerin, o göttliche Botin, wenn ich nicht hindurchzugehen vermag?«
    »Wie bitte?«
    »Diese Tür kann nicht fester sein als jene auf den Bühnen droben, nicht für dich. Bitte. Ich habe so lange auf dich gewartet. Mit deiner Hilfe wird es gelingen. Mit deiner Hilfe kann ich die Freiheit erlangen.«
    »Zeig sie mir.«
    »Ich soll vorangehen?«
    »Das wird das beste sein, ja. Ich bestehe sogar darauf. Beweise mir, daß du würdig bist. Es ist nicht meine Aufgabe, jeden Beliebigen zu geleiten.«
    Überglücklich führte er mich zu einem verborgenen Gang, der vom obersten Treppenabsatz abzweigte. Die Tür war so niedrig und klein, daß ich sie bisher immer übersehen hatte. Er selbst war im wahrsten Sinne des Wortes mit der Nase darauf gestoßen, als er zwei Reinkarnationen zuvor auf der Treppe stolperte – das war seine Art der Zeitrechnung. Der Gang führte zu einem Vorratsraum mit Pritschen, Matratzen, Uniformen und Sanitärbedarf; in der hinteren Wand gab es ein kleines Fenster. Ehrfürchtig und nicht ohne Stolz verkündete er, das sei das heilige Tor zu den höheren Sphären, und man konnte ihm seinen Irrtum nicht einmal verübeln. In einer Viertelmeile Entfernung waren zwei Studiokuppeln zu sehen, beide groß genug für eine mittlere Stadt, und wenn ich den Hals verrenkte, konnte ich linker Hand noch etliche mehr erkennen, wodurch der Eindruck entstand, die sandige Ebene vor uns sei damit übersät. Ganz rechts war ein Teil der äußeren Hülle von Hollymoons Biokuppel sichtbar. Wiederum genau geradeaus ragte hinter den zwei Kuppeln der Rand eines gewaltigen Kraters auf. Die Kammlinie zeichnete sich als scharfe Silhouette vor dem Lichterglanz der mehrere Meilen hinter dem Krater liegenden Stadt Armstrong ab. Über uns präsentierte der schwarze, sternenübersäte Himmel die allgegenwärtige Erde, diesmal als spektakuläre Sichel. Andächtig streckte mein Begleiter den Arm aus. »Dort ist das Paradies, die höchste Sphäre.«
    Doch ich war zu sehr in Anspruch genommen von den Vorgängen darunter, um auf seine Bemerkung einzugehen. Studiomitarbeiter kamen und gingen in ihren Mondgleitern; Jogger in hautengen Raumanzügen sprangen mit riesigen Schritten über die ebene Fläche, und ein Bus von ›Hollymoon-Tours‹ schwebte so nah vorüber, daß ich den Ausdruck gemäßigten Interesses auf den Gesichtern der Insassen wahrnehmen konnte. All das wirkte sehr überzeugend, doch plagte mich der Verdacht, daß ich eine Kulisse vor mir sah, und dieses Mißtrauen bezog sich auch auf den Vorratsraum, in dem wir standen, sowie auf unser Gespräch im Treppenhaus. Es konnte doch sein, daß wir jetzt wieder in einem der zahllosen Holostreifen agierten, eine fesselnde Traumszene in einem Gegenwartsstück oder die Schlüsselepisode eines pseudomystischen Actionepos von Liebe und Gefahr. Wenn ja, dann sollte es mir in meiner Rolle als himmlische Sendbotin möglich sein, die Hand durch das Tor zu strecken, weil es entsprechend präpariert war. Doch als ich den Versuch wagte, erwies sich das Glas als real. Ich fühlte mich erleichtert und beruhigt, ganz anders mein Begleiter, der damit gerechnet hatte, mich durch die Öffnung schweben zu sehen und mir dann zu folgen. Sein ganzes Verhalten wandelte sich, Mißtrauen und Furcht traten an die Stelle von Zuversicht und Vertrauen, die er noch Augenblicke zuvor an den Tag gelegt hatte. Zitternd wich er einen Schritt zurück und beschuldigte mich, ein dunkler Engel zu sein. Ich hätte ihn verleitet, den Zugang zu den höheren Sphären zu verraten, damit ich das Tor versiegeln und ihn auf ewig in den tiefsten Tiefen

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