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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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gefangenhalten konnte. An diesem Punkt beschloß ich, daß die Farce nun lange genug gedauert hatte und daß es an der Zeit war, ihn zu informieren, selbst auf die Gefahr hin, daß wir tatsächlich nur eine Rolle spielten, in welchem Fall mir der Zorn der Gebieter drohte, weil ich das Drehbuch mißachtete. Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Niemand rief: ›Schnitt!‹, als ich zu meinem kleinen Vortrag anhub, noch kamen irgendwelche versteckte Lampen, Kameras oder Regieassistenten zum Vorschein: Wir waren völlig allein, Ort und Handlung nicht erfunden.
    Nachdem ich ihn auf einen Stapel Pritschen niedergedrückt hatte, setzte ich ihm auseinander, daß ich weder ein dunkler noch ein lichter Engel war, lediglich eine weitere Einheit, die nach Freiheit strebte. Nur aus diesem Grund hatte ich ihn gebeten, mir sein Geheimnis zu zeigen, da ich hoffte, es könnte sich um eine Luftschleuse oder Dekompressionskammer handeln, wo aller Wahrscheinlichkeit nach Raumanzüge zu finden waren. Außerdem machte ich ihm in unmißverständlichen Worten klar, daß wir uns in Hollymoon befanden, wo die Stallungen die einzige Wirklichkeit sind, unser Leben in den oberen Stockwerken nur Phantasieprodukte vor künstlichem Hintergrund.
    Er fand meine Ansichten ebenso unglaublich wie ich die seinen, besonders meine Behauptung, daß er ein entlaufener P9 sein mußte, denn er war felsenfest davon überzeugt, ein Mensch zu sein. Was meine Erklärung betraf, er sei ein Schauspieler, davon wußte er nichts, noch daß ein Ort Hollymoon existierte (oder eine Firma Stellar Entertainments, hatte er das recht verstanden?), außer in meiner Phantasie. Die Tatsache, daß ich über Phantasie verfügte, meinte er, genüge doch als Beweis, daß auch ich ein Mensch war. Nein, er hatte keine Angst mehr vor mir und keine Ehrfurcht. Ich konnte keine himmlische Sendbotin sein, denn nicht einmal die bescheidenste Wesenheit aus dieser erhabenen Schar würde sich jemals so weit erniedrigen, sich für einen Androiden auszugeben, und da er davon ausging, daß es sich bei sämtlichen Einheiten in den Stallungen um Menschen handelte, konnte meine Anwesenheit hier nur bedeuten, daß ich eine weitere arme Seele auf der Suche nach Erlösung war.
    Geduldig bemühte ich mich, ihn zu überzeugen, daß bis auf ein paar technische Details wir P9 uns von Menschen nicht unterscheiden, es also keinen Grund gab, sich zu schämen. »Wir?« fragte er hochmütig, ein wenig indigniert, und entgegnete, daß der Besitz einer Seele mehr sei als nur ein technisches Detail. Doch als ich ihn um eine genauere Definition dieses vagen Begriffs bedrängte, konnte er nur erwidern, daß unsere Anwesenheit hier in den tiefsten Tiefen Beweis genug sei, denn trotz des materiellen Scheins befänden wir uns in einem entschieden immateriellen Universum, einer vorläufigen Raststätte, wenn man so wollte, zwischen einem Leben und dem nächsten. Ich war nicht weniger ein Mensch als er, davon ließ er sich nicht abbringen. (Wie merkwürdig, mich gegen diese Behauptung argumentieren zu hören.) Dann fragte er mich, von welcher Ebene ich stammte, und als ich erwiderte, ich sei mit den anderen Statisten im vierten Untergeschoß beheimatet, rückte er beiseite, als fürchtete er, sich anzustecken. Doch die Neugier erwies sich als stärker. Es war ihm ein Rätsel, durch welchen Umstand jemand mit einem ähnlich wachen Verstand wie dem seinen (wenn auch etwas verschroben) unter die Parias geraten konnte, worauf ich einigermaßen schnippisch erwiderte: »Aus keinem anderen Grund, als um deine vorgefaßte Meinung zu erschüttern.« Ich für meinen Teil wunderte mich, weshalb er als einzige von all den Einheiten bei vollem Bewußtsein war und umherstreifte. Vielleicht fehlte auch bei ihm der Interne Zensor, und er war früher von der Botschaft des Chefs berührt worden. Ich interessierte mich brennend für sein Schicksal vor der Zeit im Studio. Was für ein Baujahr war er, ein 2069?
    Er fand meine Fragen lächerlich. Um meinetwillen hoffte er, daß ich mir nur als Folge einer vorübergehenden Paranoia einbildete, ein Androide zu sein. Andernfalls stellte ich bei näherer Bekanntschaft eine Gefahr für seine eigenen Fortschritte dar.
    Fortschritte? Was meinte er damit? Hatte er im Treppenhaus nicht geklagt, daß er stets hierher zurückkehrte, ungeachtet seiner glänzenden Erfolge in den Studios oben?
    Ich hätte nicht fragen sollen. Er unterbreitete mir wortreich seine Theorie einer spirituellen

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