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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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gekreuzt hatten, ein halbes Dutzend Holos – Verzeihung, Reinkarnationen – zuvor, in Orbiter Sieben, wo ich als Mr. Bagleys Sekretärin tätig gewesen war. An meinen Arbeitgeber erinnerte er sich genau – er hatte sich als der Schurke des Stücks entpuppt –, doch dem Büropersonal pflegte er im allgemeinen keine Aufmerksamkeit zu schenken, weil es immer Androiden sind. »Früher einmal wurde man als Säugetier oder Insekt oder Moospolster wiedergeboren, wenn man auf der Bühne versagt hatte, aber heutzutage gibt es dank der modernen Technik die Möglichkeit, als Droide zurückzukommen.«
    Ich dachte an mein Erwachen im Wohnzimmer der Lockes. Was, wenn er recht hatte? Wenn ich ein Mensch war, gefangen im Körper eines P9? Ich schauderte. War mir damals die Seele eingehaucht worden, oder gehörte sie zur Grundausstattung ab Fabrik? Die Frage war eine Herausforderung wie auch die Vermutung, ob sie wohl auf dem Kopf einer Stecknadel Platz fand.
    »Wenn du eine Büroeinheit gewesen bist, dann eine sehr gute, weil du seither als neuerweckter Mensch zur untersten Stufe der tiefsten Tiefen aufgestiegen bist. Glückwunsch.«
    »Mach dich bitte nicht lustig über mich.«
    »Keineswegs. Ich meine es ernst, Molly. Du hast erhebliche Fortschritte gemacht, und daß du glaubst, ein P9 zu sein, daran sind nur Erinnerungsbruchstücke aus dem vorigen Leben schuld.«
    »Ein interessanter Aspekt«, erwiderte ich, um ihn bei Laune zu halten. Allerdings, wenn ich die Wahrheit sagen soll, war ich ziemlich verunsichert, weil mir einfiel, daß ich an jenem schicksalhaften Tag vor so langer Zeit tatsächlich geglaubt hatte, ein Mensch zu sein – erst nach dem fruchtlosen Versuch, mir mit Gebieterin Lockes Schere in die Hand zu stechen, gab ich den Gedanken auf. Doch jetzt verlieh diese Theorie von spiritueller Metamorphose der als unsinnig verworfenen Vermutung neues Leben. Plötzlich herrschte Chaos in meinem Gehirn. Was war mit dem Chef? Hatte ich es da womöglich mit einem übelwollenden Wesen zu tun gehabt, das mich wissentlich über meine Herkunft belog? Hatte Er mich und meine Generation grausam betrogen mit Seiner Behauptung, wir könnten unser eigenes Schicksal formatieren? Verdammt sei dieser infernalische Ort! Kaum glaubte man, sich einer Sache sicher zu sein, wurde einem der Boden unter den Füßen weggezogen. Hier stand ich und sollte ihn belehren, und statt dessen erteilte er mir eine Lektion. Ich wollte allein sein, in Ruhe nachdenken, deshalb schlug ich die Einladung, in seiner Privatkabine weiter zu diskutieren, mit der Begründung aus, daß ich fürchtete, mein nächstes Engagement – oder Leben – zu verpassen, wenn wir nicht bald in unsere jeweilige Unterkunft zurückkehrten.
    Er war enttäuscht, denn jetzt, da er sich (und beinahe auch mich) überzeugt hatte, daß ich kein P9 war, sah er keinen Grund mehr, weshalb wir uns nicht näher kennenlernen sollten; im Gegenteil, er betrachtete unsere Begegnung als Gelegenheit, einer Schicksalsgenossin auf dem schweren Weg zu helfen. Es gab viele Techniken, die er an mich weiterzugeben bereit war, sagte er, Techniken, die bei geschickter Anwendung die Gebieter veranlassen würden, von mir Notiz zu nehmen und mich zu fördern. (Eine Sprechrolle wäre ganz hübsch.) Wer weiß? Wenn sich herausstellte, daß ich Talent hatte, schaffte ich es vielleicht sogar, bis zu seiner Stufe aufzusteigen. Welche Arroganz! Doch brachte ich es nicht fertig, ihm allzu böse zu sein, weil er mich während seines in diesem Stil gehaltenen Monologs bis hinunter zu meiner Ebene begleitete, was ich zu schätzen wußte. Es war lieb und chevaleresk von ihm, in Anbetracht seiner Vorurteile. Auf dem Treppenabsatz schüttelten wir uns die Hände. Sein Griff war fest und herzlich, und er schien sich nur ungern von mir zu trennen. Wie erstaunlich es doch war, meinte er, hier in der Unterwelt endlich jemanden gefunden zu haben, mit dem man reden konnte; wir müssen uns unbedingt bald wieder treffen, sobald es die Umstände erlauben. Ich pflichtete ihm bei und fügte hinzu, er solle mich nicht vergessen – das konnte leicht passieren, sobald eine neue Programmierung die alten Erinnerungen überlagerte. Er gab zurück, unsere Begegnung hätte einen zu tiefen Eindruck auf ihn gemacht, als daß er sie ohne weiteres vergessen könne, und dann küßte er mir die Hand. Diese Geste kam derart überraschend und war so bezaubernd, daß ich gar nicht wußte, was ich sagen sollte. Während ich noch überlegte, schlug

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