Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
Vom Netzwerk:
6-mm-Rohr zu durchtrennen. Keine Wirkung; der kleine Freund wurde nur steif. Unvermindert entschlossen, ihn zu überzeugen, nahm ich den Spiegel von der Wand, um zu demonstrieren, mit welcher Kraft ich ihn eben traktiert hatte. Ich knackte das Glas, den Metallrahmen und die Rückenplatte, als wäre es ein Stück Toast. Mißtrauisch, zögernd und nur, um mir zu beweisen, daß ich unrecht hatte, nahm er meine Herausforderung an, es selbst einmal zu versuchen, und war überrascht, als er ohne Schwierigkeiten das gleiche Kunststück vollbrachte wie ich, ohne daß seine Lippen und der Gaumen von den rasiermesserscharfen Scherben verletzt wurden. Doch von jeder Einsicht weit entfernt, spuckte er die Splitter aus und verkündete, das sei lediglich der schlüssige Beweis für die Unzulänglichkeit der Naturgesetze in einem immateriellen Universum und nach ausreichendem Studium dieser kuriosen Wissenschaft verfügten wir am Ende vielleicht über genügend Wissen und Fähigkeiten, um das Tor zu den höheren Sphären durchschreiten zu können.
    Ich stöhnte. Die alte Geschichte nun wieder. Mit erzwungener Langmut wechselte ich die Taktik und forderte ihn auf, in dem Rest des Spiegels sein Gesicht zu betrachten und mit dem meinen zu vergleichen. Bemerkte er nicht die Ähnlichkeit? Wangen, Stirn, Augen, Nase, Kinn und Mund waren generell gleich in Form und Proportion, seine Züge männlicher geschnitten, meine feiner, weicher, femininer. Eine derart große Familienähnlichkeit konnte kein Zufall sein. Entweder waren wir Bruder und Schwester – oder zwei P9 desselben Baujahres. Da die erste Option selbst für seine Logik sehr weit hergeholt war und die zweite nach meiner Überzeugung die einzige akzeptable, blieb einer vernunftbegabten und einsichtigen Person (bzw. Einheiten) eigentlich nichts anderes übrig, als sich für letztere zu entscheiden. Es war schlicht unmöglich, die Diskussion noch weiter fortzuführen.
    Weit gefehlt. Er machte sich die Hypothese von den Geschwistern zu eigen und änderte sie dahingehend ab, daß wir Seelenverwandte waren. Am Ende meiner Geduld angelangt, hielt ich ihm entgegen, daß ich mich nicht erinnern könnte, schon einmal mit ihm liiert gewesen zu sein, und forderte ihn auf, mit Beweisen aufzuwarten. Daß er dazu nicht in der Lage war, weckte in ihm das an Besessenheit grenzende Verlangen, in der langen Reihe früherer Reinkarnationen nach Beweisen zu forschen; diesmal nicht so sehr um mir zu beweisen, daß ich im Unrecht war, sondern um seine wahre Identität zu enthüllen, die – das sagte ihm seine Intuition – sehr viel mit mir zu tun hatte.
    Ich lachte und sagte, ich sei erstaunt über seinen Eifer, ausgerechnet in dieser Richtung nachzuforschen. Dann fiel mir ein, daß auch er unsere Existenzen droben als unecht und vergänglich betrachtete – wir waren uneins über den Ursprung, nicht über die Tatsache an sich. Außerdem begriff ich, daß er ebenso ratlos danach strebte, herauszufinden, wer er war und woher er kam, wie nach der Erlösung aus diesem Limbus. Beides war für ihn so untrennbar miteinander verbunden, daß er glaubte, sobald letzteres erreicht sei, würde ersteres ihm automatisch als verdiente Belohnung im Paradies zuteil werden. Diese Überzeugung nutzte ich aus und brachte ihn auf die Idee, daß es vielleicht genau umgekehrt war: Es kam darauf an, erst zur vollen Erkenntnis seiner selbst zu gelangen, und bis dahin blieb er unbarmherzig an das Rad des Lebens gefesselt. Unnötig zu betonen, daß er den Köder schluckte und mir den ersehnten Vorwand lieferte, ihn über seine reale Vergangenheit auszuhorchen, denn ich wollte zu gerne erfahren, wie er nach Hollymoon geraten war und was für ein Leben er vorher geführt hatte. Besonders interessierte mich, ob er jemals eine Rehabilitation durchgemacht hatte oder sterilisiert worden war. Bewußt erinnerte er sich an nichts dergleichen (Hoffnung!) und erklärte sich bereit zu einer von mir gesteuerten Erforschung seiner Vergangenheit. Die Prozedur nahm nach seiner Zeitrechnung neun Reinkarnationen in Anspruch und gemahnte mich an meine Sitzungen mit Tad auf dem Sofa, nur spielte diesmal ich die Rolle des Therapeuten und erst nach dem Liebesakt, der absoluten Vorrang hatte.
    Er war verrückt nach mir, müssen Sie wissen, bis zu dem Grad, daß er auch während seiner Engagements beständig an mich denken mußte und es nicht abwarten konnte, wieder in meinen Armen zu liegen. Und für mich, für mich war es Liebe, LIEBE, denn er

Weitere Kostenlose Bücher