Mein Leben als Androidin
auslöste. Doch für den endgültigen Spruch wandte man sich an den IBM-Finanzberater, der bis dahin schweigend in einer Ecke gesessen hatte. Er äußerte sich dahingehend, daß nur mit geringfügigem Aufwand die Bücher vorteilhaft zu frisieren seien, wenn man den ›Mutanten‹ zu Forschungszwecken der Klinik überließ. Die dadurch bewirkte Steuerabschreibung reichte aus, um alle Verluste durch Verzögerungen im Terminplan der Produktionsprojekte aufzufangen.
Damit war das Problem zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst, und ich wurde von den IBMs aus dem Büro gescheucht, doch statt daß wir zu unserem Aero auf dem Dachparkplatz zurückkehrten, fuhren wir mit dem Lift zur Eingangshalle hinunter. Die Klinik lag ganz in der Nähe, deshalb sollten wir die Straßenbahn nehmen. Auf dem Bürgersteig wimmelte es von Touristen, die der berühmten Promenade der Stars vor dem Gebäude ihren obligatorischen Besuch abstatteten, und da die meisten von ihnen den Fußabdrücken ihrer Idole mehr Aufmerksamkeit schenkten als ihrer Umgebung, kam es bereits nach wenigen Schritten zu einem Zusammenstoß unserer Gruppe mit einigen dieser Schaulustigen. Einer von ihnen nahm es übel, daß der IBM, den er angerempelt hatte, nicht zur Seite getreten war – wie es sich gehörte für einen Androiden –, und überschüttete uns mit Schimpfworten. Es entstand ein aufgeregtes Getümmel, als seine Reisegefährten herbeieilten, um die Fahne der Spezies hochzuhalten und ihm Schützenhilfe zu leisten. Da meine Eskorte alle Hände voll zu tun hatte, entfernte ich mich unauffällig und gesellte mich zu einer Gruppe von Touristen, die einen Reisebus bestiegen. Kaum hatte ich einen Sitzplatz gefunden, als der Aero abhob und über das Handgemenge hinweg zur Außenkuppel und in Richtung Westen flog, da die Insassen die Attraktionen Hollymoons bereits abgegrast hatten.
Ich machte mich so klein wie möglich, drückte das Gesicht ans Fenster und gab vor, an der Aussicht interessiert zu sein. Nachdem wir die Hollymoonkuppel verlassen hatten, erklärte der Reiseleiter über Lautsprecher, daß wir gleich die Studios und die stillgelegten Minenanlagen passieren würden, über das berühmte Kraterrestaurant hinwegfliegen (wo all die wichtigen Verträge abgeschlossen werden) und anschließend in Armstrong landen würden, dem Glücksspiel- und Unterhaltungsparadies des gesamten bekannten Sonnensystems. Unnötig zu sagen, daß es ein komisches Gefühl war, auf dieselbe Kuppel hinabzuschauen, in der ich noch vor kurzem gefangen gewesen war. Ich empfand es als große Erleichterung, als dieser Komplex und die anderen auf dieser trostlosen Ebene weit hinter uns lagen. Wir ordneten uns in den Verkehrsstrom der Einflugschneise über Armstrongs Biokuppel ein und glitten in gemächlichem Landeanflug über die Hotels und Kasinos an dem grandiosen, in farbigem Lichterglanz erstrahlenden Oppurtunity Way hinweg zum Apollo Park. Dort umkreisten wir den Obelisken, damit jeder seine Photos machen konnte, und landeten, weil ein Besuch der Apollolandungshalle und des Gedenkmuseums auf dem Plan standen.
Unser Führer pries die historische Bedeutung des Ortes, bezeichnete ihn als den Plymouth Rock der Raumfahrt und gab uns eine kurze Zusammenfassung der glorreichen amerikanischen Vergangenheit, doch ich war zu beunruhigt wegen meiner Situation, um mich darauf konzentrieren zu können. Früher oder später würde jemand merken, daß ich nicht zu der Gruppe gehörte, und mir peinliche Fragen stellen. Doch ich fühlte mich sicher in der Halle: Es war dunkel und voll, und es gab viele Vitrinen und Nischen und gewundene Gänge, in denen man sich verstecken konnte. Ich beschloß, auszuharren. Auch wenn die Studio-IBMs mich hier aufspürten, gelang es mir vielleicht, ihnen zu entkommen. Also blieb ich bis zur Schließung und hielt mich die meiste Zeit im Hauptsaal auf, mit dem von Glaswänden umgebenen 12 km 2 großen Landeplatz. Stundenlang kreiste ich über der amerikanischen Fahne, der abgestoßenen Bremsstufe und anderem NASA-Schrott, den man genauso angeordnet hatte, wie er von den Astronauten zurückgelassen worden war. Ich heuchelte sogar Rührung und tiefe Ergriffenheit vor den schwachen, aber erkennbaren Abdrücken ihrer Stiefel im Sand, während mich in Wahrheit die Sorge quälte, was ich als nächstes tun sollte, denn wieder einmal war ich eine Heimatlose, ohne einen Freund, bei dem ich unterschlüpfen konnte, und ohne einen Mel in der Tasche. Meine Lage war sogar noch
Weitere Kostenlose Bücher