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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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wusch mich mit einem Luffaschwamm und geleitete mich zu dem Thron aus fünf Futons, auf dem ich ganz nach Belieben sitzen, hocken oder liegen konnte, wie es mir am angenehmsten war. Die Beleuchtung wurde gedämpft, Kerzen angezündet, Blumen gebracht, die Versammelten knieten nieder und bildeten einen Kreis aus Liebe; einige intonierten einen leisen, beruhigenden Singsang, während zwei von ihnen aufstanden, um mich zwischen den Wehen zu streicheln, zu massieren und zu ermutigen, sie küßten mich sogar wie Schwestern. Dann erschien die Hebamme, eine Anhängerin des Lamaze-Ordens der Hochaquarier, und diese rührende Zeremonie (mir standen die Tränen in den Augen, denn all das mutete mich an wie ein wunderbarer, wahr gewordener Traum) nahm eine noch erstaunlichere Wendung, denn ich kannte sie, und sie kannte mich. »Maria Theresa!« rief sie aus. Und ich, nicht weniger verblüfft: »Schwester Anna!«
    »Nein, schlicht Anna«, sagte sie und umarmte mich. »Doch ich bin glücklich zu sehen, daß du immer noch schwanger bist!«
    Wir lachten, weinten und versuchten zu sprechen, alles gleichzeitig, verstummten, lachten und brachen wieder in Tränen aus. Dann forderte sie mich auf, als erste zu sprechen, und ich tat es, aber nur, um mich nach ihren Erlebnissen zu erkundigen, mit dem Ergebnis, daß sie mich wieder umarmte und behauptete, ich sei die Ursache für all die bemerkenswerten Veränderungen in ihrem Leben – durchweg zum Guten, wie sie betonte. Wegen der Haltung des Klosters in meinem Fall hatte sie vor sechs Jahren mit dem Orden der Lieben Frau Des Universums gebrochen und war bald darauf exkommuniziert worden, als ihr Gewissen sie trieb, für die Zufluchtsbewegung zu arbeiten. Diese Tätigkeit führte sie nach Armstrong, einer Schlüsselstation des Underground-Skyways. Sie kam auf die Szene in Hals Filiale zu sprechen, wie meine Not sie gerührt hätte und sie später, in einem erhabenen Augenblick der Erleuchtung, ihr Herz sich geweitet habe, um alle denkenden und fühlenden Wesen in Güte und Mitleid zu umfangen. Mein Beispiel hatte sie zu der Erkenntnis geführt, daß auch Androiden Gottes Geschöpfe waren.
    »Oh, verzeih mir«, rief sie und unterbrach ihren Bericht, als ich mich unter einer besonders starken Wehe auf den Futons krümmte. »Ich bin so aufgeregt, daß ich vergessen habe, den Gebärmuttermund zu messen.« Mit diesen Worten holte sie das Versäumte nach, plauderte aber weiter über die Vergangenheit, wie sie versucht hatte, mich von Hal zurückzukaufen, um mich dann freizulassen, doch inzwischen war ich in den Wirren der allgemeinen Befreiung untergegangen. Seither, erzählte sie, hatte sie nie aufgehört zu ›imaginieren‹, daß wir uns wiederbegegneten, und jetzt – der Chef sei gepriesen! – war dieses Format endlich on line, wie binnen kurzem auch mein Baby. Ich schrie vor Schmerzen, als die nächste Wehe mich packte. »Wunderbar, wunderbar. Ein bißchen fester pressen das nächste Mal. Jetzt von zehn rückwärts zählen, bitte – tief atmen. So ist es richtig. Ach, Maria Theresa, du hast keine Ahnung, welch eine Ehre und ein Privileg es ist, deine Hebamme sein zu dürfen. Ich habe vielen Semis in die Welt geholfen, aber bei deinem ist es etwas ganz Besonderes. Erzähl mir, was ist aus deinem ersten Kind geworden? Ich konnte es nicht retten, aber die Erfahrung hat mir zu einem neuen Leben verholfen.« Nach Luft ringend und immer wieder von Wehen unterbrochen, berichtete ich von Juniors Geburt, unserem Schiffbruch und wie er im Nebel verschwunden war. Sie kommentierte seinen Tod mit kummervollem Schnalzen, doch ihr Gesicht erhellte sich wieder, als ich den Rest der Geschichte erzählte. »Ah!« Da kannst du sehen, daß es deinem Sohn trotz seiner verqueren Philosophie gelungen ist, einen Konnex zu bewirken, so wie dir und mir. Aber das bedeutet, dieses Kind …« Sie schaute bedeutungsvoll auf das feuchte, schwarze Haarbüschel, das zwischen meinen Beinen zum Vorschein kam. » … pressen, Liebes, pressen! Wie ich schon sagte, dieses Kind ist … noch ein bißchen. So ist es gut. Noch etwas stärker. Es ist …«
    Ich preßte mit aller Kraft.
    » … deine Enkeltochter.«
    Anna erniedrigte sich nicht zu den barbarischen Sitten der Gebieter und versetzte dem Neugeborenen keinen Klaps auf den Po. Sie legte mir das Kleine auf die Brust, während die übrigen Anwesenden dem Chef dankten. Die zwei Aquas, die mich anfangs massiert und geküßt hatten, breiteten ein warmes Handtuch über das

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