Mein Leben als Androidin
ich, die ich nur sein Bestes im Sinn hatte (und sein Kind im Bauch), zum Instrument seines Untergangs werden konnte. Welche Torheit! Meine Beförderung zur Nebendarstellerin und die neue Doppelbettmatratze waren kein Trost, sie verliehen meinen Schuldgefühlen nur zusätzliche Schärfe. Nichts konnte sie lindern als nur seine unversehrte Rückkehr, auf die ich immer noch hoffte. Ich träumte davon, wie er mich im Bett überraschte, mich umarmte und über meine Befürchtungen lachte und erklärte, daß nur eine besonders lange und abenteuerliche Reinkarnation ihn so lange von mir ferngehalten hatte.
Eines Tages, nach einem besonders lebhaften Tagtraum, der mir prophetisch zu sein schien, lief ich die Treppe hinauf, nur um seine Kabine von einer neuen Einheit besetzt zu finden, was für meinen Enthusiasmus eine grausame Enttäuschung bedeutete. In verzweifelter Hast durchsuchte ich die anderen Kabinen, ohne ihn zu finden, und folgte dann dem Impuls, der Vollständigkeit halber auch in den unteren Stockwerken nachzuforschen. Schließlich entdeckte ich ihn deaktiviert zwischen den Statisten.
Ich war so bestürzt und fassungslos, daß ich mich kaum überwinden konnte, wenigstens den Versuch zu machen, ihn aufzuwecken. Zuerst glaubte ich an eine Sinnestäuschung, denn selbst an einem Ort wie Hollymoon war es schwer vorstellbar, daß jemandes Stern so schnell so tief sinken konnte, aber dort lag er, gealtert und traurig, zweifellos von seinem verhängnisvollen Zusammentreffen mit den Gebietern (den Regisseuren und Produzenten), in die er so viel bedingungsloses Vertrauen gesetzt hatte. Es zeigten sich sogar Spuren von Grau an seinen Schläfen. * Ich bemühte mich, ihn aus der Stasis zu wecken, umarmte und küßte ihn, flehte ihn an, mit mir zu sprechen, aber ohne Erfolg. Man hatte meinen Sohn, Geliebten und Kollegen auf einen Schatten seines früheren Selbst reduziert, zu einer perfekt funktionierenden Einheit, gesteuert von einem neu implantierten Internen Zensor. Als ich an seiner Brust weinend den Verlust betrauerte, fühlte ich, daß ich es nicht mehr ertragen konnte und daß es an der Zeit war, meinem Leben ein Ende zu setzen. Mit diesem Entschluß stieg ich nach oben, denn ich hatte vor, mich den Treppenschacht hinunterzustürzen, der hoch genug war, um auch einem P9 verderblich zu sein, doch vor dem entscheidenden Schritt hielt ich inne, denn ich mußte an unser ungeborenes Kind denken, das an meinem Verbrechen vollkommen unschuldig war und mit seinem Tod das Unrecht noch vergrößern würde. »Sei standhaft!« Die Worte des Chefs fielen mir wieder ein, als ich die Hand auf meinen Bauch legte. »Sei standhaft!« Ja – doch um des Kindes willen, nicht um meinetwillen, dachte ich und erneuerte meinen Entschluß zu fliehen, wenn dem Gedanken auch Trauer und Melancholie anhaftete und keine Hoffnung auf wirkliche Befreiung.
Nachdem ich mich nun entschieden hatte, wartete ich auf mein nächstes Engagement in Armstrong, doch meine Verpflichtungen in den nächsten Wochen beschränkten sich auf die Studios, und in demselben Maß, wie meine Rollen an Umfang und Gewicht zunahmen, wuchs auch mein Bauch, bis schließlich mein früherer Zuhälter, Harry Boffo, Vizepräsident Intpl. Pro., darauf aufmerksam wurde. (Den Posten verdankte er seinen Bemühungen in der Fracass-Sache.) Dieser Befehlsgewaltige verlangte mich zu sehen, und drei IBMs flogen mit mir zu dem Verwaltungsgebäude in der City von Hollymoon. Bei dem Termin in seinem luxuriösen Büro stellte ich mich unwissend und ließ mit keinem Wort verlauten, daß ich ihn wiedererkannte. Er war schockiert über meinen Zustand, sagte er, und verärgert, wie auch die beiden anderen Top-Manager, die sich zu der Besprechung eingefunden hatten. Man hatte Großes vor mit Candida Dolly – ein echtes Zugpferd, keine Frage – und beabsichtigte, diesen unziemlichen und ungelegenen Störfaktor – Harry zählte an den Fingern ein halbes Dutzend Verdächtige aus den Besetzungsbüros auf – so schnell und so diskret wie möglich auszumerzen, damit der von der Werbeabteilung bis ins kleinste vorausgeplante Verlauf meiner Karriere nicht ins Stocken geriet. Die Szene hatte eine schaurige Ähnlichkeit mit meiner Entlarvung im Kloster damals, nur machte man hier noch weniger Federlesens.
»Die Benway-Klinik hat sich in solchen Fällen als sehr zuverlässig erwiesen«, meldete sich schüchtern einer der Manager zu Wort, ein Vorschlag, der weises Kopfnicken bei den übrigen Anwesenden
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