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Mein Leben als Androidin

Mein Leben als Androidin

Titel: Mein Leben als Androidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fine
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es wert, dem Chef gestellt zu werden! Doch selbstverständlich würde Er sie nicht beantworten, selbst wenn Er noch bei uns wäre. Seti behauptet – du weißt, wen ich meine, oder nicht? Den Schöpfer des Chefs? Alex Seti? Den ehemaligen Leiter der Abteilung zur Entwicklung von Cyborgsystemen bei Pirouet? – Seti behauptet, wir alle müßten unsere Formatwidrigkeiten ertragen, bis wir begreifen, daß wir selbst sie programmieren; dann können wir das Muster gemäß unseren Vorstellungen ändern. Aber das weißt du bestimmt alles. Du hast doch auch mit dem Chef kommuniziert.« Das war lange her, berichtete ich, inzwischen hatte ich Ihm und Seiner Philosophie abgeschworen, weil ich mich im Stich gelassen fühlte; deshalb zweifelte ich trotz dieses wunderbaren ›Formats‹ immer noch daran, daß mein ›Glück‹ von Dauer sein sollte. In Anbetracht von Juniors ›Schicksal‹ verdiente ich es vielleicht gar nicht.
    »Diese Haltung ist gefährlich, wie ich eben schon sagte«, tadelte sie mich und hob mahnend den Finger. »Denke weiter in diesen Bahnen, und du wirst Unglück auf dich herabbeschwören. Gedanken sind lebendig. Du mußt sorgfältig auswählen, welche davon du nähren willst.«
    Etwas an dieser Einstellung mutete mich sehr katholisch an. »Dann ist es nur Angst, durch die man bewogen wird, an den Chef zu glauben?«
    »O nein. Das ist ein Fehler, den nur ein Neuling machen kann. Erstens, wir glauben nicht an den Chef per se; wir glauben an Sein Prinzip des Realitätsformatierens. Zweitens, man kann diese Prinzipien nicht wirksam anwenden, solange man Furcht hat vor sich selbst. Damit meine ich die geheimsten Gedanken und Gefühle. Ich könnte noch weiter reden, aber ich denke, jetzt ist nicht die Zeit für eine ausführliche Lektion in der Lehre der Hochaquarier. Du solltest dich ausruhen, deinem Kind die Brust geben und schlafen. Später kannst du dich mit den Spulen in unserer Bibliothek befassen.
    Während der drei Tage, die Tad mit dem Jumboraumer brauchte, folgte ich ihrem Rat und beschäftigte mich mit Titeln wie Seti Leicht Gemacht; Die Methode des Chefs; Auch Du Kannst Deine Realität Formatieren!; Die Überwindung psychologischer Barrieren 1, 2, 3 und Dem Goldenen Zeitalter der Interspezies-Kooperation, Liebe und Interplanetaren Harmonie entgegen. Obwohl faszinierende Werke, ermüdeten sie mich, sogar Seti Leicht Gemacht, und wenn ich die Wahrheit sagen soll, alles verlor an Bedeutung im Vergleich zu dem Baby an meiner Brust; ihr widmete ich den größten Teil meiner Zeit und Energie und ließ sie nur eben lange genug aus den Augen, um zur Toilette zu gehen. Weitaus mehr als die dürre Theorie interessierte mich die Nachricht, daß im Jahr 2079 der Androidenkodex ratifiziert worden war. Zu der Zeit hatte ich als Gefangene in den Stallungen gelebt. Anna meinte, der Kodex wäre zwar nur der erste Schritt auf dem Weg zur vollständigen Befreiung, aber dennoch ein großer Erfolg, denn er bescherte allen Produkten der neunten Generation ein erweitertes Bewußtsein und fügte sich sehr schön in eine weitere neue Entwicklung, die der Kodex genau genommen erst möglich gemacht hatte: die Gründung von Horizont ein Jahr darauf, im Frühling 2080. »Welches Jahr haben wir eigentlich?« Wollte ich wissen.
    »Wir schreiben 2082. Den 15. Mai 2082, um genau zu sein.«
    »Das bedeutet, ich habe vier Jahre und drei Monate in den Stallungen verbracht!« Ich war außer mir und entsetzt über die kostbare Zeit, die ich verloren hatte. »Ich bin zwölfeinhalb Jahre alt – über meine beste Zeit hinaus!«
    »Unsinn«, sagte Anna und versuchte meine plötzliche Angst zu beschwichtigen. »Du siehst nicht einen Tag älter aus als zweiundzwanzig und gibst eine wunderhübsche junge Mutter ab.«
    »Aber das VVD …«
    »Unsere Wissenschaftler werden eine Lösung finden. Genau in dieser Minute arbeiten sie in Horizont an diesem Problem und erforschen die Zellgenome, bei denen der Schlüssel zu finden ist.«
    Wie man sich vorstellen kann, interessierte mich dieses Thema brennend, und ich bat sie, mir Genaueres zu erzählen, aber da sie in diesem Fach nicht sonderlich beschlagen war, lehnte sie ab und pries statt dessen die Vorzüge von Horizont. Es war der Realität gewordene Aquariertraum, schwärmte sie, eine freie, von Liebe regierte Gemeinschaft unter der marsianischen Außenkuppel. Die TWAC hatte ihnen eine Kolonisationsberechtigung für vierzigtausend Quadratmeilen der unwirtlichsten Gegend auf dem gesamten Planeten

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