Mein Leben als Androidin
Androidenindustrie abzublocken. Das neueste politische Bubenstück war eine angeblich neutrale Untersuchung der Wahlen in Frontera – Betrug von Anfang bis Ende – durch einen Ausschuß, dem etliche ehemalige Vorstandsmitglieder von United Systems angehörten. Ihr Schlußbericht sprach die Humanisten von jedem wissentlichen Verstoß gegen die Wahlgesetze frei, während eingeräumt wurde, daß es zu gewissen Unregelmäßigkeiten gekommen sei, allerdings nur vereinzelt. Die Empfehlungen für eine Reform des Wahlverfahrens waren bestenfalls Augenwischerei.
»Liebe Güte, in meinem Kopf drehte sich alles. Das klingt ja wie eine regelrechte Verschwörung sämtlicher Gebieter. Doch ich wüßte gerne, wie es der Frau des Reverends geht.« Ich dachte an Eva.
»Oh, die ist off line gegangen.«
»Du meinst, sie ist tot?«
»Es gibt keinen Tod und keine Termination: Man geht einfach off line. Es existiert eine unendliche Zahl von alternativen Formaten, aus denen man wählen kann, und wenn jemand dieses verläßt, besteht die Chance, daß er oder sie in einer ganzen Reihe von anderen Formaten on line bleibt. Der Trick besteht darin, zwischen den Ebenen zu wechseln.«
Ich war zu erschüttert über Evas Schicksal, um diese Perlen der Weisheit gebührend würdigen zu können. Wenn es stimmte, was sie vorhin gesagt hatte, daß Gedanken lebendig sind, lag dann die Schuld an Evas Hinscheiden etwa bei mir? (Mit dem Begriff ›off line‹ mochte ich mich nicht anfreunden.) Hatte ich ihr während meines Sklavendaseins in den Stallungen je den Tod gewünscht? Nicht bewußt jedenfalls, obwohl natürlich die Möglichkeit bestand, daß ich unterschwellig destruktive Gedanken gehegt hatte. Die Vorstellung bereitete mir Unbehagen. Ich erkundigte mich nach den Einzelheiten und erfuhr von Anna, daß ›Lady Fracass‹ bei einem reichlich merkwürdigen Unfall kurz nach der Amtseinführung des Präsidenten ums Leben gekommen war. Den Berichten zufolge hatte sie bei der Überwachung der Renovierungsarbeiten am Präsidentenpalast zu dicht an einem Baugerüst gestanden und wurde von herabstürzendem Mörtel erschlagen. Der trauernde Gatte linderte seinen Schmerz dadurch, daß er nach der Beisetzung den gesamten Bautrupp, die dreiundsechzig Einheiten starke Renovierungscrew eingeschlossen, zur Termination überstellte.
Erstaunt über die Tränen, die mir in den Augen standen, fragte Anna, weshalb ich um eine derart unsympathische Person trauerte – eine Frau, die während der kurzen Zeit ihres öffentlichen Lebens sich dermaßen haßerfüllt gegen Horizont, gegen die Aquarier und gegen Androiden geäußert hatte, daß die Reden ihres Gatten dagegen verblaßten. Diese Eva hatte kein Pardon gekannt. Man hatte das Gefühl, bemerkte Anna, daß sie sich durch die bloße Existenz von Androiden persönlich beleidigt fühlte, besonders was die ausgereifteren Modelle betraf, die sie samt und sonders als hinterlistige Gleisner gebrandmarkt hatte.
Dazu hätte ich einiges sagen können – wer wäre berufener gewesen als ich? –, aber ich zögerte, über das traurige und erbärmliche Ende meines ansonsten märchenhaften Lebens in Malibu zu sprechen, und aus Respekt vor meinem Privatleben drang Anna nicht weiter in mich, sondern ging statt dessen, um eine Schale Obstbrei für das Kind zu holen. Achtundvierzig Stunden nach der Geburt war die Kleine bereits so weit entwickelt, daß sie mit flüssiger Nahrung allein nicht mehr auskam. Wie schnell diese kleinen Semis heranwachsen, wenn sie erst einmal das Licht der Welt erblickt haben! Es erstaunt mich immer wieder.
»Du hast ihr noch keinen Namen gegeben, oder?« Ich verneinte und erklärte, daß ich damit auf Tad warten wollte. Anna fand diese Geste rührend.
Das frohe Wiedersehen fand statt am dritten Tag nach meiner Flucht aus Hollymoon und nicht in der Unterkunft der Aquarier, sondern im Apollo-Park. Weil sie mich für ausreichend erholt hielt, hatte Anna mir geraten, mit dem Kind an die frische Luft zu gehen. Sie begleitete uns. Wir schlenderten am Rand des dekorativ angepflanzten Wäldchens entlang und diskutierten die ungewöhnliche Aquarier-These der Überflußreligion, als sie Tad mit einem Jetpack auf uns zu kommen sah. (Sie vermutete, daß er bei seiner Ankunft in der Freistatt von den Leuten dort erfahren hatte, wo wir zu finden waren.) Er stieß in einem halsbrecherischen Sturzflug auf uns herab, so daß Anna mir vor dem stürmischen Zusammenprall sicherheitshalber das Kind aus den Armen
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