Mein Leben als Androidin
nahm.
Eine gehörige Sandfontäne wirbelte vor meinen Füßen auf, als er nur wenige Meter von mir entfernt die Bremsdüsen betätigte und das Jetpack schrill aufheulend Gegenschub gab. Trotzdem sank er mir mit solchem Schwung in die Arme, daß wir beinahe umgefallen wären. Einen Moment lang fragte ich mich erschreckt, ob Anna sich nicht vielleicht geirrt hatte und dies ein entsprungener Irrer aus irgendeinem Sanatorium war, aber beim zweiten Blick stellte ich fest, daß ich – abgesehen von einem Bart anstelle der früher vorherrschenden Akne – denselben Liebsten in den Armen hielt, den ich für immer verloren geglaubt hatte. Obwohl ich mich in den neun Jahren und sechs Monaten seit unserer Trennung auf hoher See physisch nicht einen Deut verändert hatte, war er mittlerweile von einem schlaksigen Teenager zu einem hageren, aber kräftigen jungen Mann von neunundzwanzig Jahren herangereift. Doch er verströmte immer noch eine jugendliche Naivität und einen unschuldigen Überschwang – zwei nicht vom Alter abhängige Eigenschaften und vielleicht seine liebenswertesten. Nach der Meinung anderer – seiner Eltern, zum Beispiel – waren sie die Wurzel aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Dummheiten. Wie dem auch sei, er drückte und küßte mich mit einer Begeisterung, daß ganz sicher nur wenige Frauen jemals etwas Vergleichbares erleben durften. Ich erwiderte seine Umarmung beinahe ebenso stürmisch, denn hätte ich meinen Gefühlen freien Lauf gelassen, wäre er am Ende zu Schaden gekommen. »O Molly«, sagte er. »Endlich, endlich sind wir on line!«
Kapitel sechs
»Jahrelang habe ich an diesen Moment gedacht!« rief er nach Luft ringend aus. Unsere Umarmung hatte ihm den Atem geraubt. »Und … und … deine Antwort auf die Frage: Willst du … willst du meine Nummer Eins sein, meine Lebensgefährtin?« Völlig überrumpelt, konnte ich nichts anderes erwidern, als daß ich erst meine Gedanken ordnen müßte, und während ich noch sprach, wurde er auf das Kind aufmerksam. Er streichelte der Kleinen sanft die Wange und meinte, es sei für ihn als Aquarier kein Problem, daß sie einen anderen Vater hätte, er würde sie mit Freuden aufziehen wie seine eigene Tochter. »O nein«, sagte ich, »du verstehst mich nicht. Dein Antrag kommt nur so plötzlich.« Im stillen dachte ich: »Warum zögere ich eigentlich? Hat Blaine Fracass' Antrag mich für die Ehe verdorben? Oder habe ich nur Angst, ihm zu sagen, wer der Vater des Kindes ist?«
»Laß sie erst einmal zur Besinnung kommen«, tadelte Anna mit einem Lachen. »Derweil könntest du auch mir guten Tag sagen. Immerhin bin ich nicht ganz schuldlos an diesem Konnex.« Sie erklärte, daß ihre Maria Theresa und seine Molly ein und dieselbe Person waren. Zum Dank gab er ihr einen achtungsvollen, aber flüchtigen Kuß auf die Wange (ohne vor lauter Freude zu begreifen, auf welch bemerkenswerten Zufall sie anspielte), dann ergriff er meine beiden Hände und zog mich wieder an seine Brust, während ihm Freudentränen in die Augen stiegen. »Nun«, schlug Anna vor, »wir treffen uns beim Landungsobelisken in, sagen wir, zwei Stunden?« Er stimmte so rasch und begeistert zu, daß es schon an Unhöflichkeit grenzte; ich dagegen mußte mich erst überzeugen, daß das Kind bei ihr wirklich gut versorgt war, und stieß sie damit wieder vor den Kopf; immerhin war sie eine Hebamme, von ihren menschlichen Qualitäten ganz zu schweigen. Doch sie trug es mit Humor, hob die kleine Hand des Babys und bewegte sie winkend auf und ab, als Tad und ich Arm in Arm zum Wald spazierten. Dort gab es ein Vogelhaus, sagte er, mit einem idyllischen Bach und einer zauberhaften Pagode. Das üppige Laubdach und die stattlichen Eichen übten einen beruhigenden Einfluß auf ihn aus und versetzten auch mich in eine besinnliche Stimmung, was ihm nicht verborgen blieb. »Vielleicht fragst du dich immer noch, was Liebe ist.« Diese Bemerkung bezog sich auf unser letztes Gespräch, das vom Wüten des Sturms so grausam unterbrochen worden war.
Ich erwiderte, daß ich seither beträchtliche Erfahrungen auf diesem Gebiet gesammelt hätte, und zwar dermaßen gründlich, daß es unaufrichtig von mir wäre, ihm nicht die ganze Geschichte zu erzählen. Wenn er anschließend immer noch bereit war, mich zu seiner Nummer Eins zu machen, dann wollte ich von Herzen gern seinen Antrag annehmen, wenn ich auch eine so große Ehre vielleicht gar nicht verdient hatte. Ein wenig überrascht meinte
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