Mein Leben als Stuntboy
Schließfach. »Womit wir wieder bei unseren Vorfahren, den Affen, wären. Was, wenn du Frank wegbringst, damit er gar nicht da ist, wenn die Frau kommt? Dann kann sie ihn nicht mitnehmen.«
Neandertaler
»Aber wo soll er denn hin? Die Praxis meiner Mutter ist gleich nebenan, da würde sie ihn als Erstes vermuten.«
»Aber er könnte doch auch woanders sein.« Matt grinst verschlagen. »Du könntest morgen die Tür offenlassen, dann schleiche ich mich rein und klaue ihn. Mitsamt Käfig, meine ich. Damit ihm nichts passiert.«
»Soll das ein Witz sein? Mom würde ausflippen. Und Frank sowieso.«
»Aber du hast doch gesagt, die Frau muss ihren Flieger kriegen. Also müssen wir ihn bloß so lange verstecken, bis sie zum Flughafen muss. Die wird doch nicht ihren Flug nach Hause sausen lassen, nur um den Affen mitzunehmen. Dann rufst du sie am nächsten Tag an und sagst, du hättest mit Frank Pedro besucht, und es täte dir leid, dass du sie verpasst hast.«
Während ich Matt zuhöre, denke ich daran, wie viel schöner das Leben ist, wenn mein bester Freund auf meiner Seite ist. Ich sperre mein Schließfach ab. Als ich mich umdrehe, spitzeln Prompty und Joe gerade um die Ecke.
spitzeln
»Spioniert ihr uns etwa hinterheroder was?«, sage ich. »Habt ihr kein eigenes Leben?«
Joe will sich auf mich stürzen, aber Matt sagt, er soll sich verziehen.
»Du solltest wirklich mal über die Operation Frank-Versteck nachdenken«, sagt Matt, als die beiden endlich weg sind. »Ich passe auch gut auf ihn auf, versprochen.«
Aber ich muss gar nicht erst darüber nachdenken. »Ich kann Frank auf keinen Fall so einem Stress aussetzen. Selbst auf die Gefahr hin, dass ich ihn verliere.«
Matt bleibt stehen und schaut mir in die Augen. »Kann es sein, dass du mir nicht traust und meinst, ich könnte ihn wirklich klauen oder so?«
»Nein! Nein, das ist es nicht …« Ich versuche, es zu erklären, brauche aber ein paar Augenblicke, um alles zu sortieren. »Du hast mir neulich echt wehgetan, aber darum geht’s jetzt nicht.Ich möchte nur mit Frank nichts mehr falsch machen.«
Matt geht lächelnd ins Klassenzimmer. »Dann finden wir eben einen anderen Weg. Du wirst deinen Affen nicht verlieren, basta.«
Und weil Matt mein bester Freund ist, glaube ich ihm einfach.
Wieder am Set
Ich hänge in der Hoffnung, dass mir Tanya Billings über den Weg läuft, schon seit zwei Donuts, drei Flaschen Wasser und zwei Schokoriegeln vor dem Catering-Wagen herum, aber vergeblich. Ich würde gern wissen, wie sie meine Zeichnungen fand und ob sie ihr beim Textlernen geholfen haben. Die nette Frau, die mich schon den ganzen Vormittag mit Futter versorgt, sagt, sie sei sich nicht sicher, ob Tanya heute dreht. Ich ruckele an der Perücke, die mir auf den Kopf gepappt wurde. Ich kann mich einfach nicht dran gewöhnen, dass ich Frauenklamotten tragen muss, während ich meine Stunts mache.
Weil Dad der Meinung ist, ich würde meinen Teil der Lese-Abmachung noch nicht so wirklich einhalten, hat er mir heute Ronnie zur Seite gestellt – er soll mit mir während der Drehpausen Lesen üben. Ronnie war noch nie an einem Filmset und läuft überall herum, ungläubig, was hier für ein Gewusel herrscht.
ungläubig
»An diesem Film arbeiten mehrere hundert Leute mit. Das ist ja wie eine richtige Stadt.« Ronnie bricht schier zusammen, als ein grüner Alien auf uns zukommt.
»Ich hab fünf Stunden in der Maske gesessen«, erklärt Tony. »Und, wie findest du’s?« Er dreht sich wie ein Marsmodel hin und her.
»Cool!« Als ich seine schleimigen Schuppen berühre, zuckt meine Hand von selbst zurück. »Das ist echt widerlich!«
zurückzucken
»Soll es ja auch sein«, sagt Tony. »Der Make-up-Artist dieses Films gilt als der beste in der ganzen Branche.«
Ich stelle Tony meinen Nachhilfelehrer vor, der aber Angst zu haben scheint, Tony die Hand zu geben. Ich frage Tony, welchen Stunt er heute machen muss.
»Ich jage Tanya durchs Haus«, sagt er. »Und morgen setzt sie mich in Brand.«
Tony erzählt mir weiter von dem Schicksal des Aliens, aber ich kann die ganze Zeit nur daran denken, dass Tanya heute wirklich am Set sein wird. Und als hätte ich sie durch Gedankenkraft heraufbeschworen, steht sie plötzlich neben mir.
»Ich dachte, du wärst schon fertig«, sagt sie.
Ich sage ihr, dass heute mein letzter Tag hier ist. Dann stelle ich sieRonnie vor, der sich auf einmal hektisch durch die Haare fährt und gar nicht mehr damit aufhören kann.
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