Mein Leben als Stuntboy
Klappe, die Neunte« rufen will, entscheidet die Regisseurin dann doch, dass wir wohl fünf Minuten Pause brauchen.
Ich schaue zu Matt und Carly rüber, die mir begeistert zuwinken, ungeachtet der Tatsache, dass ich gerade acht Takes versemmelt habe.
Tony kommt auf mich zu, die Arme wie ein Monster zur Seite ausgestreckt. Ich weiß seine Bemühungen zu schätzen, aber mit Witzen krieg ich meinen Stress-Pegel im Moment auch nicht runtergefahren.
»Machen dich deine Freunde vielleicht nervös?«, fragt Collette. »Sollen sie lieber woanders auf dich warten?«
Ich sage ihr, dass es nicht an meinen Freunden liegt. Es liegt an mir.
»Weißt du noch, wie du neulich total durchgedreht bist, weil du dir in allen Variationen vorgestellt hast, wie du die Szene vergeigst?«, fragt Tony.
»Aber das jetzt ist ja nicht eingebildet – ich vergeige sie tatsächlich!«
Er schüttelt seinen schuppigen Kopf. »Wir alle haben immer mal wieder negative Gedanken. Aber der entscheidende Punkt ist, dass Profis wie wir es schaffen, diese Gedanken wegzuschieben.«
Echt großzügig von ihm, mich in seine Profi-Liga mit einzubeziehen. »Im Moment komme ich mir aber alles andere als professionell vor.«
Liga
Seine Augen blitzen ernst unter der grünen Gummiverkleidung hervor.»Willst du das große Geheimnis wissen? Niemand kommt sich selber je professionell vor – auch ich nicht und ich mache den Job schon seit fünfzehn Jahren!« Er richtet den Zeigefinger auf seine schuppige Schläfe. »Alles wird von hier oben gesteuert. War schon immer so, wird immer so bleiben. Denk dran – beim Parkour geht es darum, Hindernisse zu überwinden. Und das wirst du auf die eine oder andere Art dein Leben lang tun müssen. Also gewöhn dich lieber frühzeitig dran.«
Collette hebt die Hand, um die Leute, die sie gerade alle etwas fragen wollen, in Schach zu halten. Dann wendet sie sich mir zu und sagt, ich soll mir ein paar Minuten nur für mich nehmen.
Matt kommt angerannt, die Taschen voller Schokoriegel. »Carly und ich wollen uns noch die restlichen Sachen auf dem Set anschauen. Ich hab dichschon tausend Mal Slalom fahren gesehen, ich brauch dir jetzt nicht unbedingt weiter zuzusehen.«
»Ich hab die Szene aber nicht vergeigt, weil ihr zuschaut.« Den anderen wollte ich nicht erzählen, was mich wirklich beschäftigt, aber Matt sage ich es jetzt. »Ich muss andauernd dran denken, dass ich Frank wegen Prompty vielleicht verliere. Was, wenn die Frau ihn mitnimmt und ich ihn nie wieder sehe?«
»Das wird nicht passieren.« Matt beißt kräftig in einen Schokoriegel. »Mann, du hast ihn heute doch gerettet! Das war richtig heldenhaft. Dagegen ist so eine Slalomfahrt über eine Fake-Straße doch die totale Lachnummer!«
Collette kommt und fragt mich, ob ich bereit bin. Tony stellt sich auch neben uns, und Collette erschauert, als sie seine Alien-Haut berührt.
erschauern
»Ich bin so weit!«, sage ich.
Wir gehen wieder zur Markierung und die Produktionsassistentin ruft: »Szene 52, Klappe, die Neunte!«
Als Collette das Startsignal gibt, springe ich auf mein Skateboard und fahre los. Tony auf den Fersen, brause ich im Slalom zwischen den Verkehrshütchen hindurch – links, rechts, links, rechts –, bis zum Ende. Dann kicke ich das Brett hoch und lege den höchsten Nollie Hardflip hin, den ich je gemacht hab.
Ich glaube, ich habe kein einziges Hütchen umgeschmissen, aber ich kann mich jetzt nicht umdrehen, um nachzuschauen. Die Kameras sind nämlich noch auf mir drauf, und wenn da plötzlich mein Gesicht statt dem von Tanya zu sehen ist, ist die Aufnahme im Eimer. Also warte ich, bis Collette »Schnitt!« ruft, dann drehe ich mich um.
Die zwei Reihen orangefarbener Verkehrshütchen stehen noch perfekt in Reih und Glied.
Collette nickt begeistert, die Crew klatscht. »Cool gemacht, Großer. Bekommst du das noch mal genauso hin, nur für alle Fälle?«
Ich schaue den Hügel hoch, wo Matt und Carly stolz vor sich hin grinsen. Ich schleudere meine Perückenmähne nach hinten und sage zu Collette, dass ich das meinetwegen auch für den Rest des Tages wiederholen könnte.
»Danke, aber ich brauche wirklich nur noch eine Reserve-Aufnahme«, sagt sie lachend.
Als Tony und ich wieder zu unserer Markierung hochgehen, winkt Tanya mir zu. Ich will zu ihr, um mich persönlich von ihr zu verabschieden, aber da ist sie schon um die Ecke zu ihrem Wagen verschwunden. Kaum da, schon wieder weg.
Als hätte sie gespürt, wie es mir
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