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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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»So. Da stehst du jetzt also und erfreust dich an unseren prachtvollen Uniformen. Kannst dich gar nicht sattsehen an all dieser schmucken Kultur. Aber sei ehrlich, was tust du für diese Kultur? Wann hast du zuletzt ans Erzgebirge gedacht?« Und ich fühle mich ertappt. Tatsächlich hab ich überhaupt gar nicht, also nie im letzten Jahr ans Erzgebirge gedacht. Nach diesem Umzug jedoch werde ich nun wohl in den nächsten Wochen häufiger vom Erzgebirge träumen. Zum Beispiel von der Holzschnitzergruppe aus Zschopau, die jetzt vorbeikommt. Vielen fehlen ein oder zwei Finger. Einem sogar ein ganzer Arm. Ja, nicht jeder Holzschnitzer ist geschickt. Da sieht man mal, wieviel Leid und Blut an diesen Erzgebirgefiguren klebt. Kinder sind bei den Holzschnitzern nicht dabei. Klar, irgendwer muß ja schließlich zu Hause die neuen Figuren schnitzen. Immerhin ist Saison.
    Ein Fernsehteam sucht verzweifelt nach einem Chemnitzer. Irgendeinem. Wie es aussieht, ist keiner da. Später erfahre ich, daß die Chemnitzer selbst diese Parade eher meiden. Im großen und ganzen ist sie eigentlich nur für Touristen und Erzgebirgler. In früheren Zeiten, heißt es, wurden nach der Parade immer einige Chemnitzer vermißt. Ältere Chemnitzer behaupten, sie dann später in einigen Holzfigürchen aus dem Erzgebirge wiedererkannt zu haben. Wie sie dann förmlich aus den Figuren herausgeschrien hätten. Aber das sind so diese alten Gruselgeschichten, wie man sie sich eben übers Erzgebirge erzählt. Man sollte das nicht auch noch immer weiter verbreiten.
    Trotzdem gehen seit einigen Jahren praktisch keine Chemnitzer mehr auf diese Parade. Statt dessen kommen die Touristen. Touristen von überall her. Amerikaner, Schweizer, Osteuropäer, auch sehr viele Japaner. Extrem viele Japaner.
    Begeistert stehen sie vor den Ständen mit den Schnitzereien. Diese Figuren haben aber auch was. Unheimlich, klar. Aber auch irgendwie schön.
    Vor einigen Jahren sind die Holzschnitzerkunst und die Erzgebirgeparade in eine tiefe Krise geraten. Keiner weiß, warum. Als die Chemnitzer nicht mehr kamen, gab es auch kaum mehr neue Figuren. Aber jetzt, mit den Touristen, ist alles wieder gut.
    Dann komme ich zum Stand mit den neueren Schnitzereien. Auch schön. Aber irgendwas ist anders.
    Ein altes Muttchen kommt vom Stand:
    - Kommen Sie, kommen Sie! Kommen Sie heran! Sie haben so ein schönes Gesicht. Möchten Sie einen starken Glühwein?
    Ich will ihr gerade in den Bauwagen folgen, als mich plötzlich jemand an der Schulter packt und zurückreißt. Er greift meine Hand und zieht mich, so schnell er kann, mehrere hundert Meter von den Ständen weg. Dann nickt er freundlich und verschwindet schnell wieder unter den anderen Passanten. Ganz sicher bin ich mir nicht, aber vielleicht war er doch einer der ganz, ganz wenigen Chemnitzer auf dieser Bergparade.

Wie mir die katholische Kirche einmal wirklich geholfen hat

    Donnerstagmorgen. Sitze in meiner Wohnung und beobachte auf die Regalruine an und vor der Wand. Wollte das Regal eigentlich in die Wand schrauben. Hatte alles sorgsam und seriös vorbereitet. Ausgemessen, angezeichnet, gebohrt, alles perfekt. Aber dann… paßte irgendwie nicht. Jetzt liegen die Brocken da. Seit Tagen. Warum?
    Nach all meinen Überlegungen bleibt eigentlich nur eine wirklich logische Erklärung. Praktisch genau in der Zeit zwischen dem Ausmessen und dem Bohren muß sich unsere eurasische Kontinentalplatte plötzlich so ein paar Zentimeter abgesenkt haben. Und zwar so linkslastig. Nur so kann es gewesen sein. Jetzt liegen die Brocken da. Samt der seltsam sinnlosen Löcher in der Wand. Wollte das Vermessungsproblem zuerst beheben, indem ich einfach die Löcher durch so quirlartig kreisende Bewegungen größer gebohrt habe. Das hat geklappt. Wurden echt schöne runde, kraterartige Löcher. Leider haben dann die Dübel nicht mehr wirklich gehalten, also gar nicht, weshalb das Regal bei der ersten Belastung runtergekracht ist. Wobei, Belastung ist fast übertrieben. Eigentlich habe ich nur einen Tischtennisball aufs Regalbrett gelegt, um zu gucken, ob es auch gerade ist.
    Seitdem liegen die Brocken da, und ich sitze jeden Tag mehrere Stunden davor, beobachte sie und denke nach. Wenn ich zwischendrin wenigstens mal aus dem Fenster gucken würde. Aber das macht es auch nicht besser, denn die Fenster sind dreckig. Total dreckig. Könnte die Fenster natürlich putzen. Klar, das wäre kein Problem, aber ich traue mich nicht. Also aus religiösen

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