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Mein Leben Als Suchmaschine

Mein Leben Als Suchmaschine

Titel: Mein Leben Als Suchmaschine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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nichts. Kann hin- und herschalten, wie ich will. Nix.
    Allerdings sollen sie Nebenwirkungen haben: extreme Müdigkeit, totale Lustlosigkeit, Wahnvorstellungen und Paranoia. Müdigkeit und Lustlosigkeit stimmen schon.
    Kürzlich beim Wassertrinken plötzlich mitten im Trinken einfach keine Lust mehr gehabt. Keine Lust weiterzutrinken, aber zu müde gewesen, um Glas abzusetzen. Einfach alles weiter durchs Gesicht und über Oberkörper geschüttet. Hinterher zu müde zum Umziehen. Vier Stunden still gesessen, dann vom Trockenwerden erschöpft, eingeschlafen. Kaum mehr Lust ganze Sätze. Für Verben zu müde. Objekt? Selten. Aber keine Schmerzen. Ich merk nix.
    Und auch keine Wahnvorstellungen und Paranoia. Gottseidank. Wär ja auch schlimm, gerade jetzt, wo ich so vor meiner Nachbarin auf der Hut sein muß. Und dazu noch diese ganze Verschwörung mit dem Playboyidioten und dem Körpertausch. Wenn ich auch noch Wahnvorstellungen hätte… Aber ich merk nix, gar nix…

Ralle

    Es gibt Menschen, mit denen ist man fast sein ganzes Leben lang befreundet, ohne eigentlich genau zu wissen warum. Ralle ist so jemand. Irgendwas an Ralle hat mich immer fasziniert. Wobei ich nicht wirklich wußte, was es war oder wie es sich äußerte, aber irgendwas war da.
    Ralle heißt eigentlich Ralf, woran er sich aber vermutlich selbst schon nicht mehr erinnert. Als ich ihn kennenlernte, waren wir beide fünf Jahre alt. Damals hieß er schon Ralle und das schon seit vielen, vielen Jahren. Immerhin hat Ralle Umgangsformen. Wenn er mich zum Beispiel mal für eine Woche besuchen kommt, kündigt er das immer vorher an. Also jetzt nicht so ewig vorher, aber er kündigt es an. Also im Regelfall doch spätestens in dem Moment, wo er unten im Haus angekommen ist, indem er noch mal schnell von unten durchs Treppenhaus ruft:
    - Hallo Ho-orst, ich komm Dich besuchen! Für eine Woche! Juhu!
    So bleibt mir immerhin noch fast eine Minute Vorfreude, ehe er in die Wohnung schlurft, in den Sessel fällt und da dann eine Woche liegenbleibt. Ralle hat jetzt nicht in dem Sinne so sehr viele Interessen. Und Hummeln im Hintern hat er auch nicht gerade. Eher Schildkröten. Ralle hat ziemlich große, schwere Schildkröten im Hintern.
    Wobei es eigentlich überhaupt nicht das Schlimmste ist, wenn er einfach nur so rumliegt. Als er bei seinem letzten Besuch plötzlich begann, die Elektrik in der Küche zu kritisieren, und laut darüber nachdachte, diese mal neu und besser zu verlegen, da wurde ich wirklich unruhig.
    Zwar hatte es für das letzte Haus, in dem Ralle die Elektrik neu verlegt hatte, am Ende doch noch fast 80. 000 Euro von der Versicherung gegeben, und dazu war natürlich die Wahrscheinlichkeit, daß er tatsächlich die Energie aufbringen würde, sich zu erheben und zumindest mal ein paar Steckdosen abzuschrauben, relativ gering, aber dennoch hielt ich es für klüger, eventuell vorhandene, plötzlich auftretende Energieressourcen bei Ralle lieber woanders als in meiner Küche abbrennen zu lassen. Also zog ich mit Ralle los.
    Nach einem langen Streifzug kreuz und quer durch Berlin kamen wir irgendwann spät nachts gegen drei auf dem Alexanderplatz an und begannen zu diskutieren, wieviel Miete wohl die Wohnungen direkt neben dem Rathaus, gegenüber dem Fernsehturm kosten würden. Eine Einigung schien ausgeschlossen. Plötzlich jedoch hatte Ralle eine, nennen wir es mal, Idee.
    - Weißte was Horst? Wir klingeln einfach und fragen. Die müssen das ja wissen.
    - Was? Ralle, es ist drei Uhr nachts!
    - Na und! Is doch super. Dann ist wenigstens einer zu Hause.
    Ralle mußte total lange klingeln, bei unzähligen Wohnungen, bis man endlich durch die Gegensprechanlage ein verschlafenes weibliches: - Ja? hörte.
    - Ja, wir gehen hier grad die Straße lang und hatten uns gefragt, was Sie hier wohl an Miete zahlen?
    - Was?
    - Wie hoch Ihre Miete ist?
    - Arschloch!
    - Ey, ich hab doch nur ’ne Frage gestellt, meine Fresse.
    - Arschloch!!
    - Das ist doch keine Antwort!
    - Arschloch!!!
    - Kannst Du keine andern Schimpfwörter?
    - Riesenarschloch!!!!!!
    Eine Viertelstunde dauerte das Geschrei zwischen Ralle und Gegensprechanlage. Ich war zwischenzeitlich ein wenig auf Abstand gegangen, auch um der ja vermutlich in Kürze anrückenden Polizei aus dem Weg zu gehen. Bis nach eben einer Viertelstunde Ralle plötzlich auf mich zukam:
    - Alles klar. Sie fragt, ob wir nicht noch auf ein Bier zu ihr hochkommen wollen.
    In diesem Moment wurde mir plötzlich klar, was mich

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