Mein Leben Als Suchmaschine
Gründen. Weil ich niemandes Gefühle verletzen möchte. Wer weiß, womöglich ist grad heut zum Beispiel irgendein islamischer Feiertag. Ich putze die Fenster, ein Islamist kommt vorbei, sieht mich die Fenster putzen, ist in seinen religiösen Gefühlen verletzt und zack, verbrennen in irgendwelchen islamischen Ländern Puppen von mir beim Fensterputzen. Kennt man ja. Wie schnell ist das passiert. Das will ich nicht. Mal abgesehen von den klimaschädlichen Folgen, wenn ich schon in islamischen Ländern als Puppe verbrannt werde, dann bitte nicht als Fensterputzpuppe. Ich weiß nicht genau warum, aber wäre mir wirklich unangenehm. Nee, nee, nee, da mach ich mal lieber nix. Das sind die sauberen Fenster doch nun nicht wert.
Damals, während des Karikaturenstreits mußte ich sogar schon wegen der Islamisten das Joggen aufgeben. Aus Angst, aus den Schweißflecken auf meinem T-Shirt hätte sich das Gesicht Mohammeds abzeichnen können. Und dann… als Schweißfleckenpuppe verbrannt zu werden, ist auch nicht sehr würdevoll. Ist mir damals sehr schwergefallen, das Joggen ein für allemal aufgeben zu müssen. Immerhin war ich ja grad erst mal so alles in allem 50 Meter weit gekommen.
Grundsätzlich ist das alles natürlich meine Schuld, gar keine Frage. Es ist wegen meiner Unwissenheit. Ich weiß einfach noch viel zu wenig vom Islam an sich. Das lähmt und verunsichert mich völlig. Aber nicht nur mich.
Mein Onkel sagte kürzlich auf einer Familienfeier den großen Satz: Er persönlich habe ja gar nichts gegen die Islamisten und diesen ganzen Islam, nur das mit dieser Religion fände er nicht gut. Wobei, diesen Satz hat er früher auch ganz genau so über die katholische Kirche gesagt. Mein Onkel ist, genauso wie ich, in einer sehr protestantischen Gegend aufgewachsen. Das, was heute der Islam ist, war bei uns früher mehr oder weniger die katholische Kirche. Also vom Orthodoxen her. Seltsam fanden wir das auch, dieses Katholische. Wir hamm das nicht verstanden. Was die wollten, deren Ansichten. Es hat uns einfach nur irritiert. Doch wir haben das in den Griff bekommen. Und nun, wo der Islamismus das Irritieren übernommen hat, fliegen der katholischen Kirche sogar Sympathien zu. Vor allem dem Papst. Der war ja, als er noch Ratzinger war, nun wahrlich nicht gerade so die Sympathie- und Karmaschleuder. Doch dann hieß es auf einmal, der Papst ist bunt, ein Star, alle mögen ihn, übrigens sogar die Türken, obwohl die haben ja auch einen ähnlichen Kleidergeschmack, und die katholische Kirche hat immer häufiger kurze heftige Anfälle von Weltoffenheit. In Afrika und Asien wollen sie Familienplanung, also Kondome, erlauben, anderswo denken sie über weibliche Priester nach, und irgendwann kam sogar die Meldung, es gäbe Pläne, das Zölibat zu lockern. Abgesehen davon, daß ich es eine interessante Frage finde, wie man denn ein Zölibat »lockert«, hat ein mir persönlich gut bekannter katholischer Pfarrer aus der weiteren Umgebung von Osnabrück zu dieser Problematik wortwörtlich gesagt: »Mir egal, für mich ändert sich dadurch nichts!«, und wie man hört, sehen seine Söhne das eigentlich ganz genauso…
Also gut, das mit den Söhnen war jetzt natürlich ein blöder Witz, aber er kommt vom Pfarrer selbst. Dennoch, das zumindest muß man der katholischen Kirche lassen. Bei denen, die so richtig fest dazugehören, gab und gibt es immer bei allem, auch bei den allerstrengsten und wichtigsten Regeln, so einen gewissen Gestaltungsspielraum. Jedoch eben inoffiziell. Wenn die Kirche nun jedoch ganz offiziell anfängt, ihre Ansichten am tatsächlichen Leben der Katholiken auszurichten, ist sie dann überhaupt noch die katholische Kirche? Ich meine, immerhin ist Weltfremdheit doch auch eine Form von Stärke.
Beschließe, daß es so nicht weitergehen kann. Sollte nicht länger auf die Regalruine an und vor der Wand starren. Wenn mich das zu dem Schluß bringt: Welt-fremdheit ist eine Form von Stärke, dann muß ich doch einräumen, diese Regalruine hat keinen guten Einfluß auf mich und auch nicht aufs Wohnungskarma.
Werde alles rückgängig machen. Werde das ganze Regal wieder wegräumen, die Bohrlöcher vergipsen, die Wand neu streichen und meine Beobachtungsstation vor der Wand auflösen. Und dann gehe ich raus, in den Frühling, setzte mich auf eine Parkbank und döse da vor mich hin. Einfach nur so. Vielleicht ist dieses Dösen unterm Strich nicht soviel anders als das Regalruinen-dösen. Aber immerhin döse ich
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