Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
Massoud war. Das irritierte mich. Sie lachten über die Art, wie er seinen pakol nach hinten geneigt trug. Nach ihrer Überzeugung war er eine Marionette der Franzosen. Eines Abends hörten sie, wie er sich per Funk mit einem seiner Männer, der in vorderster Linie stand, auf Französisch unterhielt.
Einer der Männer sagte mir, sie hätten erst vor wenigen Tagen mit Massoud gesprochen. Dabei hätten sie zunächst seine Stimme über Funk gehört und ihr eigenes Gerät dann auf diese Frequenz eingestellt. Sie hätten das Gespräch unterbrochen und ihn mit Beschimpfungen überhäuft. Massoud habe gewartet, bis sie fertig gewesen seien, und dann gesagt, sie sollten Afghanistan verlassen, denn dieser Krieg sei kein Dschihad, sondern einfach nur ein interner Streit um Land und Macht. Es gebe keinen Grund für die Araber, sich einzumischen.
Der Mann, der mir die Geschichte erzählte, amüsierte sich über Massouds Dummheit. Er sagte, sie hätten Massoud erneut beleidigt, sobald er mit seiner Antwort fertig gewesen sei. Aber selbst dieser Mann räumte ein, dass Massoud während des gesamten Wortwechsels sehr höflich geblieben sei.
Die Kämpfer der Hizb-i-Islami trauten den Afghanen überhaupt nicht. Sie gingen zwar gelegentlich ins afghanische Lager weiter unten an der Straße, blieben aber die meiste Zeit für sich. Sie erzählten sich Geschichten über die Kämpfe um Kabul in den frühen neunziger Jahren und sprachen auch darüber, wie sich die Loyalität der Afghanen in Minutenschnelle verändern konnte. Sie erzählten, sie hätten selbst gesehen, wie Afghanen arabische Mudschahidin töteten, selbst wenn diese auf ihrer Seite kämpften. Traut niemals den Afghanen, warnten sie uns. Schon in Khaldan hatte ich einige Äußerungen dieser Art zu hören bekommen, auch wenn es dort niemand so deutlich gesagt hatte. Ich begriff allmählich, dass es uns aus diesem Grund untersagt war, mit den afghanischen Führern oder Wachen oder Köchen zu reden.
Die Abneigung der Hizb-i-Islami -Kämpfer gegen die Afghanen war so ausgeprägt, dass selbst Hekmatyar von ihren Vorurteilen nicht verschont blieb. Manchmal lachten die Männer nur noch über den Krieg und skandierten mit einem Achselzucken: „Hekmatyar, Rabbani – Afghani, Afghani.“ Die Bedeutung war klar: Es spielte keine Rolle, wer Kabul einnahm – letztlich waren diese Leute alle gleich.
Die Männer verwirrten mich zunächst. Warum waren sie denn hier? Jahre des Kampfes hatten sie ganz offensichtlich hart und zynisch werden lassen. Sie waren viel älter als die jungen Männer, denen ich in Khaldan begegnet war, mindestens Anfang dreißig. Ihre Augen saßen tief in den Höhlen. Sie alle hatten schon im Krieg gegen die Sowjets gekämpft, und von diesem Krieg sprachen sie mit Stolz und nostalgischen Gefühlen. Aber jetzt schienen sie nur noch den Krieg zu lieben – und sonst wenig. Sie hatten nur wenige andere Gesprächsthemen und beschrieben die Schlachten zwischen den Taliban und der Nordallianz, die sie selbst miterlebt hatten, in allen Einzelheiten. Sie hassten die Nordallianz ebenso wie die Taliban. Und dennoch schienen sie bester Laune zu sein, wenn sie über deren tödliche Auseinandersetzung sprachen. Dabei ging es nicht um Politik, die Schilderung der Kämpfe brachte sie in Stimmung.
Abends saßen wir in den Baracken beisammen und unterhielten uns. Die einzige Beleuchtung bestand aus Gaslampen, denn die Nordallianz hatte dieses Gebiet bombardiert. Zum Schutz vor der bitterkalten Nachtluft hüllten wir uns in Decken, und die arabischen Kämpfer erzählten uns Geschichten von der Front. Diese Berichte ließen mich vor Ehrfurcht erstarren. Es waren detaillierte Beschreibungen berühmter Schlachten, von denen ich zuvor nur gelesen hatte.
Aber eines Abends erzählte einer der Mudschahidin eine Episode über ein Flugzeug, das einige Monate vor dem Sturz von Nadschibullahs Regierung im Jahr 1992 über Kabul auseinanderbrach. Das Flugzeug stürzte ab, und der afghanische Pilot betätigte den Schleudersitz und schwebte an seinem Fallschirm zu Boden. Noch in der Luft signalisierte er mit erhobenen Händen, dass er sich ergeben wollte, aber die Mudschahidin nahmen ihn dennoch unter Feuer. Der Pilot wurde verwundet und bei seiner Landung sofort gefangen genommen.
Seine Häscher diskutierten noch über die beste Hinrichtungsart für den Gefangenen, als sie einen Funkspruch des Hizb-i-Islami -Hauptquartiers auffingen. Sie erhielten die Anweisung, den Gefangenen am
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