Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
vergangenen Sonntag aufgetreten war. Den dritten Mann kannte ich nicht.
Abu Qatada gab dem Publikum ein Zeichen, und sofort saßen alle still und ruhig da.
„Assallamu Alaykum wa Rahmatuh Allah wa Barakatuh. Bismillah Arahman Arahim wa Asalatu wa Assallam Ala Rasoul Allah, Sayedna Muhammad Salat Allah Alihi wa Sallam.“
Abu Qatada sprach das Gebet mit tiefer, klangvoller Stimme. Lob und Dank gebühren Allah allein, Friede und Segen seien auf seinem Gesandten.
Dann sprach Abu Qatada über die mit dem Dschihad verbundenen Pflichten. Er sagte, wenn auch nur eine Frau von den Ungläubigen als Geisel genommen würde, seien alle Muslime auf der ganze Welt für ihre Befreiung mitverantwortlich. Er fuhr fort mit einer Liste der verschiedenen Ebenen, auf denen sich der Dschihad abspielte, sprach über den Dschihad des Herzens, der Zunge, des Wissens, der Hand und des Schwertes. Er machte deutlich, dass der bewaffnete Dschihad die vornehmste unter all diesen Erscheinungsformen sei.
Die Ausdrucksweise Abu Qatadas verblüffte mich. Sie glich fast aufs Haar der Sprache, die ich in den Ausbildungslagern gehört hatte. Einen Augenblick lang musste ich an die Moschee in Khaldan denken. Als ich mich wieder auf das aktuelle Geschehen um mich herum konzentrierte, war Abu Qatada bereits zu der Unterscheidung zwischen dem obligatorischen und defensiven Dschihad und dem Dschihad übergegangen, der offensiv ausgerichtet und mit Kampf und Krieg verbunden ist.
Dann sprach Abu Qatada über Algerien. Jetzt bemerkte ich im Publikum, das sich bis dahin still verhalten hatte, eine gewisse Unruhe. Einige der Männer flüsterten miteinander. Abu Qatada eröffnete schließlich die Diskussion und bat um Fragen, und einige der Anwesenden meldeten sich. Sie stellten sehr direkte Fragen: Ist der Dschihad in Algerien eine Pflicht? Sind die Muslime, die nicht die GIA unterstützen, überhaupt richtige Muslime?
Abu Qatada beantwortete die meisten Fragen selbst, aber gelegentlich erteilte er auch dem Mann, der ihm am nächsten saß, das Wort. Das war der Geistliche, der ebenfalls an der anderen Konferenz teilgenommen hatte. Abu Qatada stellte ihn als Abu Walid vor.
Im Unterschied zu Abu Qatada war Abu Walid sehr dünn. Er war außerdem etwas jünger als Abu Qatada und hatte ausgeprägte arabische Gesichtszüge. Ich hörte sehr genau auf seine Stimme, wenn er eine Frage beantwortete. Plötzlich war mir klar: Abu Walid war in den Lagern gewesen. Seine Stimme blieb ruhig und gelassen, auch als es in der Zuhörerschaft unruhiger wurde. Dann betrachtete ich abermals Abu Qatada, um zu prüfen, ob mich mein erster Eindruck von ihm getäuscht hatte, aber dem war nicht so. Er hatte andere typische Eigenarten – seine Stimme war modulationsfähiger, und seine Gesichtszüge waren zu weich. Abu Qatada war nie ein Mudschahid gewesen.
Ich traf Gilles und Daniel am folgenden Tag und berichtete ihnen von den beiden Veranstaltungen, auf denen ich Abu Qatada hatte auftreten sehen. Ich sagte ihnen, dass es im Jugendzentrum Four Feathers Extremisten gab und dass Abu Walid in den Ausbildungslagern gewesen sei. Ich berichtete, dass sich der größte Teil des Gespräches am Vortag um die GIA gedreht hatte.
Daniel wie auch Gilles schienen von meiner Arbeit angetan. Daniel wiederholte, was er mir schon bei unserem letzten Treffen gesagt hatte: dass ich mich vorläufig noch zurückhalten solle.
Im Zusammenhang mit Abu Qatada schien Daniel sich nur für ein Thema zu interessieren: „Hat er irgendetwas über einen Angriff auf England gesagt?“
GELD
Am Tag nach der Veranstaltung kehrte ich zum Freitagsgebet ins Four Feathers zurück, ebenso an jedem Freitag danach. An anderen Wochentagen wurden Vorträge und Diskussionen angeboten, und oft besuchte ich auch solche Veranstaltungen. Abu Qatada trug stets sehr gelehrt vor. Er sprach über Theologie, und es war offensichtlich, dass er sehr viel über den Islam wusste. Die Vorträge waren keineswegs leichtverständlich. Der Redner verlangte seiner Zuhörerschaft sehr viel ab.
Abu Walid saß meist unmittelbar neben Abu Qatada, und wenn dieser einmal nicht anwesend war, hielt er am Freitag auch die Predigt. Wenn ich nach dem abschließenden Gebet noch blieb, um beim Säubern der Gebetsteppiche zu helfen, sah ich manchmal, wie Abu Qatada und Abu Walid das Geld aus der Sammelbüchse zählten. Sobald sie damit fertig waren, nahm Abu Walid das Geld an sich und ging.
Auch die Männer, die ins Four Feathers kamen, sah ich
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