Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
gab ihm meine Telefonnummer. Meine Adresse würde ich Abu Zubayda zukommen lassen, sobald ich mich eingerichtet hätte.
Daniel und Gilles wirkten sehr aufgeregt, als ich das Gespräch beendete. Daniel hatte wohl endlich erkannt, dass ich „echt“war und für sie noch von großem Nutzen sein konnte.
„Ich werde jetzt ein Postfach einrichten“, sagte ich ihnen. „Und ich werde etwas Geld brauchen, das ich Abu Zubayda schicken kann.“
Daniel und Gilles war das Lächeln vergangen. Sie wirkten schockiert. „Was meinst du damit?“, wollte Daniel wissen.
„Ich muss Abu Zubayda ein bisschen Geld schicken. Zu diesem Zweck hat er mir die Nummer des Bankkontos gegeben.“Ich erzählte noch einmal, was mir Ibn Sheikh an jenem letzten Abend in Derunta gesagt hatte – man erwarte von mir, dass ich zur Unterstützung des Dschihad Geld schickte. Das war einer der Gründe für meine Entsendung.
„Wir können diesen Leuten kein Geld schicken“, sagte Daniel. Er sprach sehr langsam, und Gilles nickte zustimmend. „Das ist illegal.“
„Und wie soll ich dann meine Tarnexistenz aufrechterhalten? Ich habe diesen Leuten gerade gesagt, dass ich in London lebe und ein Mobiltelefon besitze. Natürlich gehen sie davon aus, dass ich ihnen Geld schicken werde.“Ich war wütend auf die beiden. Sie überließen mir alle Risiken, und selbst riskierten sie nichts.
Daniel und Gilles sahen mich schweigend an, dann warfen sie sich gegenseitig einen Blick zu. Schließlich räusperte sich Gilles und sagte ruhig: „Wir sollten ein andermal darüber reden.“
NACHRICHT
Während meiner ersten Besuche im Four Feathers fiel mir auf, dass die Spannungen zunahmen. Einige Zuhörer stellten immer hartnäckigere Fragen zum Krieg in Algerien. Der Bürgerkrieg dort eskalierte, und die GIA ging immer aggressiver vor. Inzwischen löschte sie ganze Familien aus, manchmal auch ganze Dörfer. Wer die GIA nicht unterstützte, wurde zum Freiwild. In einem Fall verkleideten sich GIA-Kämpfer als Polizisten, errichteten eine Straßensperre und stoppten zwei vollbesetzte Busse mit Zivilisten. Sie schnitten allen Insassen die Kehle durch – mehr als sechzig Menschen, darunter viele Frauen, Kinder und Alte. Ein andermal drangen sie während des Gebets in eine Moschee ein. Vor den Augen des Imams und der versammelten Gläubigen enthaupteten sie vier Männer mit Dolchen und Äxten.
Die GIA hatte sich selbst zur einzigen rechtmäßigen Opposition gegen das Militärregime erklärt. Nur die GIA konnte die Scharia durchsetzen und entscheiden, wer ein wahrer Muslim war und wer nicht. Wer nicht betete, wer die zakat nicht direkt bei der GIA ablieferte, jede Frau, die unverschleiert aus dem Haus ging – alle diese Menschen waren Apostaten, vom Glauben Abgefallene, die den Tod verdienten. Die GIA wurde den Taliban von Tag zu Tag ähnlicher.
Im Four Feathers gab es viele Fragen zur GIA. Die Algerier diskutierten dabei natürlich besonders engagiert. Viele von ihnen glaubten den Zeitungsberichten nicht. Sie nahmen an, dass die algerische Armee diese Gräueltaten beging, um die Menschen gegen die GIA aufzubringen.
Abu Qatada interessierte sich wie immer mehr für theologische Fragen. Einmal hielt er eine Freitagspredigt, die sehr viel länger dauerte als sonst. Zunächst sprach er über die Ulama, die Gelehrten, die den Koran, die Sunna und die Hadithe kannten. Nach seinen Worten bestand die Aufgabe der Ulama in der Verteidigung des wahren Islam gegen die Erneuerer.
Abu Qatada ging anfangs nicht direkt auf die GIA ein, aber er sprach über den Begriff des takfir – die Feststellung, dass eine Einzelperson oder eine ganze Gruppe nicht mehr zu den wahren Muslimen zählten. Dies kommt letztlich einem Todesurteil gleich.
Abu Qatada erklärte, die Fatwa mit der Feststellung, jemand sei takfir , könne nur von Korangelehrten ausgesprochen werden. Die GIA war zu weit gegangen. Eine Entscheidung darüber, wer zu den wahren Muslimen zählte und wer nicht, stand ihr nicht zu. Abu Qatada machte deutlich, dass nach seiner Überzeugung jeder Muslim weltweit zur Mitarbeit am Sturz säkularer Regime aufgerufen war. Aber er hielt auch fest, dass die GIA überhaupt kein Recht hatte, andere Muslime zu töten.
Das Publikum hörte aufmerksam zu, aber ich bemerkte, dass einige der Algerier im Verlauf dieser Predigt wütend wurden. Das galt aber längst nicht für alle – andere Algerier zeigten durch Kopfnicken ihr deutliches Einverständnis mit dem, was sie da hörten.
Am
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