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Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
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auffallendste Mitglied dieser Gruppe, das in nichts den anderen ähnelte. Er war sehr viel kultivierter, eleganter, europäischer. Er war außerdem etwas älter, vielleicht Ende zwanzig. Alle hörten ihm zu, wenn er sprach. Er hatte eine außergewöhnliche Ausstrahlung und beherrschte den ganzen Raum. Kamal war sehr viel stiller. Er sprach nur wenig, aber wenn er sprach, fiel sein exquisites Französisch auf. Als er mich grüßte, hörte ich an der Art, wie er das „Sallam Alaykum“ aussprach, dass er kein Arabisch konnte.
    Ich sagte während des Essens fast nichts und stand vom Tisch auf, sobald ich fertig war. Ich ging in mein Zimmer und legte mich aufs Bett. Wenig später hörte ich die anderen die Treppe heraufkommen, und Tarek öffnete die Tür zu meinem Zimmer und trat ein. Er beugte sich nieder und suchte etwas in einem der Koffer. Ich begriff, dass er mein neuer Zimmergenosse war. Ich schloss die Augen und tat so, als schliefe ich. Zu guter Letzt schlief ich tatsächlich ein.
    Ein paar Stunden später wachte ich auf, weil ich im Zimmer Geräusche hörte. Ich öffnete die Augen und sah Tarek, der mit Hilfe einer Taschenlampe im Koran las und leise betete. Mit einem Stöhnen drehte ich das Gesicht zur Wand. Noch vor der Morgendämmerung weckte Tarek mich erneut, als er das fajr verrichtete.
    Es war jede Nacht dasselbe – niemals konnte ich mehr als ein paar Stunden ungestört schlafen. Manchmal schliefen auch Yasin und Amin in meinem Zimmer, dann standen alle drei während der Nacht auf, um zu lesen und zu beten.
    Ich war müde. Und ich war wütend.
     
    Tagsüber benutzten Tarek und Kamal mein Zimmer als Büro. Tarek war den größten Teil des Tages im Haus und arbeitete an seinem Laptop. Er erhielt ständig Faxe. Ein Faxgerät stand auf dem Treppenabsatz, und stündlich kam ein neues Fax an. Stets stand einer der Männer neben dem Gerät, wenn eine neue Sendung eintraf, so dass ich niemals den Text oder den Absender sah. Die Sendeprotokolle blieben jedoch liegen, und ich schaute nach, wo diese Botschaften herkamen. Woche für Woche, entweder am Mittwoch oder am Donnerstag, traf ein Fax aus London oder aus Schweden ein, gelegentlich auch aus Frankreich. Tarek, Amin und Yasin warteten stets auf diese Sendung und sprachen über einen Mann namens Elias, der im Ausland lebte. Ich hatte keine Ahnung, wer das war, erfuhr aber, indem ich einige Gesprächsfetzen der anderen zusammensetzte, dass dieser Mann sich zunächst in Frankreich und dann in Schweden aufgehalten hatte, jetzt in London wohnte und mit einer europäischen Frau verheiratet war.
    Tarek wartete stets neben dem Gerät, wenn ein Fax von Elias anstand. Eines Tages stellte ich mich dazu und folgte ihm, als das Fax angekommen war, in mein Zimmer.
    „Was machst du da?“, fragte ich in gespielt harmloser Neugier.
    Er sah nur kurz auf, ganz offensichtlich stand er unter Zeitdruck. „Ich mache al-Ansar fertig.“
    Natürlich wusste ich von al-Ansar . Seit meiner Ankunft in Belgien hatte ich jede Woche die Briefumschläge versandfertig gemacht. Ich wusste, dass dies der Rundbrief der GIA war und dass die Kopien, die wir verschickten, an Adressen in aller Welt gingen. Jedes Exemplar, das wir auf den Weg brachten, wurde dann seinerseits Hunderte oder gar Tausende Male kopiert, um dann in den Moscheen verteilt zu werden. In den Zeitungen bei Fnac hatte ich noch mehr über al-Ansar gelesen. Ich wusste aus dem Figaro und aus Le Monde, dass die Behörden das Blatt für eine terroristische Publikation hielten und dass die Polizei auf der Suche nach den Hintermännern war, die es herausbrachten.
    Aus al-Ansar erfuhr ich mehr über die Ereignisse in Algerien. Die Neuigkeiten vom Bürgerkrieg kamen direkt von der Front. Die europäischen Zeitungen brauchten häufig eine oder zwei Wochen, um auf denselben Informationsstand zu kommen. Die GIA exekutierte Polizisten und Lehrer und vor allem die Mitglieder konkurrierender Oppositionsgruppen. Sie nahm auch Zivilisten aufs Korn – jeden Menschen, der ihre Lesart des Islam nicht akzeptierte. Auch Journalisten, Intellektuelle und alle Ausländer gehörten zu ihren Zielen, die Liste war endlos.
    Tareks Aufgabe, so erfuhr ich, bestand darin, all die Faxe aus London und Schweden zu nehmen und das gesamte Material aus dem Französischen ins Arabische und aus dem Arabischen ins Französische zu übersetzen. Al-Ansar kam in beiden Sprachen heraus. Tarek fügte auch seine eigenen Kommentare hinzu. Kamal stand stets zu seiner

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