Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
herumlag. Spätestens jetzt wusste ich auch, dass ich mit meiner Vermutung richtiggelegen hatte: Sie wollten nicht, dass ich zurückkam.
Ende Januar passierten zwei Dinge. Ich erhielt meinen ersten Führerschein. Und die GIA ließ in der Innenstadt von Algier eine Autobombe hochgehen. Die Straßen waren voller Menschen, die sich auf den Fastenmonat Ramadan vorbereiteten, der am Tag danach begann. Mindestens vierzig Menschen wurden getötet, und Hunderte wurden verletzt, darunter viele Frauen und Kinder.
Ich weiß nicht, ob für dieses Attentat Sprengstoffe verwendet wurden, die ich transportiert hatte. Das werde ich nie erfahren. Die GIA verfügte natürlich über eine Menge Zulieferer. Und dennoch musste ich immer wieder daran denken, wie groß der Zeitdruck bei dieser Reise gewesen war. Wie Hakim mich angeschrien und wie frustriert Yasin am Telefon geklungen hatte, als ich drohte, den Wagen nicht herauszugeben. Ich dachte auch an die Eile, mit der der Mechaniker in Brüssel den Motor ausgetauscht hatte. War der Zeitpunkt für diesen Anschlag damals schon festgelegt gewesen?
Ich werde die Wahrheit niemals erfahren, aber die Frage quält mich immer noch.
THIERRY
Mitte Februar hatte Yasin das Geld immer noch nicht geschickt. Da ich Marokko unbedingt wieder verlassen wollte, rief ich Gilles an. Dieses Mal musste ich keine Botschaft hinterlassen. Er ging selbst ans Telefon. Er klang erleichtert, von mir zu hören. Offensichtlich hatte er sich große Sorgen gemacht.
„Wo bist du?“, fragte er. „Wann kommst du zurück?“
„Ich bin immer noch in Marokko. Ich habe kein Geld mehr. Yasin hat schon mehrmals versprochen, mir welches zu schicken, aber bisher ist keines angekommen.“
Gilles versprach, mir sofort etwas zu überweisen.
„Komm zurück, sobald du kannst“, sagte er.
Bereits am nächsten Tag erhielt ich eine telegrafische Geldanweisung über 2000 Dollar. So viel Geld hatte ich von Gilles noch nie bekommen.
Es dauerte noch eine weitere Woche, bis ich endlich mein Visum abholen konnte. Danach kaufte ich mir eine Busfahrkarte nach Belgien.
Die Sonne ging gerade unter, als ich am Hafen ankam. Die See und der Himmel waren eine Symphonie aus Rot und Rosa. Als sich meine Augen angepasst hatten und ich die Schlange von Autos und Menschen näher betrachtete, die vor der Fähre wartete, war ich höchst erstaunt. Die Sicherheitsmaßnahmen waren noch weit strikter als bei meiner Einreise vor einem Monat. Überall wimmelte es nur so von Polizei, und alle paar Meter standen Soldaten mit einem Gewehr oder einer Maschinenpistole im Anschlag.
Die suchen nach mir, dachte ich. Sie haben mich mit dem Autobombenanschlag in Algier in Verbindung gebracht und suchen jetzt nach mir.
Der Bus hatte mich am Eingang zur Landungsbrücke abgesetzt, aber von hier aus musste ich noch weitere zwei Kilometer bis zur Zollabfertigung und Passkontrolle zu Fuß zurücklegen. Ich ging weder zu schnell noch zu langsam. Ich schaute immer konzentriert nach vorne. Mein Gesicht war ruhig, aber mein Herz schlug rasend schnell. Ich begann wie Jamal oder Hakim tonlos ein Gebet zu sprechen.
Die helle, tiefstehende Sonne blendete mich. Sie wurde von den Autodächern widergespiegelt. Der ganze Hafen wirkte jetzt wie in Gold getaucht. Mir wurde schwindelig, und in meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Immer wieder betete ich zum Herrn, dass sie mich nicht anhalten und verhaften würden. Ich wusste, was ich getan hatte. Ich kannte die marokkanische Polizei. Ich wusste, was mit mir passieren würde.
Gehe einfach immer weiter, sagte ich mir vor. Gehe immer geradeaus. Schaue niemals nach rechts oder links. Ich konzentrierte mich auf den Klang meiner Schritte. Ich kniff die Augen zusammen, um meinen Kopf vor dem gleißenden Gold zu schützen, das mich umgab. Gehe immer geradeaus. Gehe einfach immer weiter.
Als ich mich der Passkontrolle näherte, schlug mein Herz plötzlich viel ruhiger. Ich hatte mich fast mit meinem schlimmen Schicksal abgefunden. Ich wusste, was mit mir geschehen würde. Sie würden mich verhaften, sie würden von dem Auto und seiner gefährlichen Last erfahren. Sie würden mich foltern, bis ich ihnen alle Namen mitteilen würde, die ich kannte. Ich wusste, dass mein Leben zu Ende war.
Und dann fühlte ich eine ungeheure Erleichterung. Es war der Wille Gottes. Ich war jetzt in Seiner Hand. Ich überantwortete mich Seiner Entscheidung.
Ich hielt vor dem Passhäuschen an und gab dem Beamten meine Papiere. Ich war
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