Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
ganz ruhig und lächelte ihn an. Er musterte mich genau und schaute dann in meinen Pass. Ich studierte sein Gesicht. Er hatte eine dunkle Haut und war nicht sehr gut rasiert. Ein buschiger Schnurrbart bedeckte seine Oberlippe.
Er schaute mich prüfend an. „Warum fahren Sie nach Belgien?“, fragte er.
Mein Herz blieb fast stehen, aber ich antwortete mit ruhiger Stimme: „Meine Mutter lebt dort. Ich möchte sie besuchen.“
Er nickte und musterte erneut meine Papiere. Dann drückte er einen Stempel in meinen Pass und gab ihn mir zurück.
„Gute Fahrt.“
Als ich endlich in Brüssel ankam, ging es mir nicht besonders gut – ich fühlte, dass eine schwere Erkältung im Anmarsch war. Nachdem ich aus dem Bus gestiegen war, rief ich sofort Gilles an. Auch dieses Mal meldete er sich selbst und kein Anrufbeantworter. Ich teilte ihm mit, dass ich zurück sei und dass es mir gutgehe. Ich merkte, dass ihn diese Nachricht erfreute. Er forderte mich auf, mich einmal richtig auszuschlafen. Am nächsten Tag würden wir uns dann treffen.
Danach rief ich zu Hause an, und Hakim kam, um mich abzuholen. Er lächelte, als er mich sah.
„Masha’allah“, sagte er. „Masha’allah. Ich bin so stolz auf dich.“
Noch niemals zuvor hatte er so mit mir gesprochen.
Als ich heimkam, saßen Amin und Yasin gerade beim Abendessen. Sie standen beide auf, um mich zu begrüßen. Auch sie lächelten mich an. „Masha’allah, masha’allah, masha’allah.“
Alle waren allerbester Laune. Ich setzte mich zu ihnen an den Tisch, um etwas zu essen. Wir redeten über alles Mögliche, über meine Reise und darüber, was während meiner Abwesenheit geschehen war. Sie waren offener zu mir als jemals zuvor.
Nach dem Essen schaute mich Amin an und begann zu sprechen. „Weißt du eigentlich, dass alle in Algerien darüber reden? Niemand kann glauben, dass du das geschafft hast. Ich kann es auch nicht glauben.“
„Warum nicht?“, fragte ich.
„Die Grenze ist doch dicht. Es ist fast unmöglich, da etwas durchzubringen. Niemand anderer würde das überhaupt erst versuchen.“Er machte eine kleine Pause. „Ich glaube, nicht einmal ich hätte das geschafft.“
Ich schaute ihm direkt in die Augen. „Warum hast du mich dann geschickt?“Ich lächelte zwar, als ich dies sagte, aber der Ärger in meiner Stimme war deutlich zu hören.
Er hielt meinem Blick stand und antwortete ganz langsam: „Weil ich wusste, dass du der Einzige warst, der das durchziehen konnte.“
Wir schauten uns gegenseitig lange Zeit in die Augen, ohne dass einer von uns den Blick gesenkt hätte. Schließlich brach Yasin das Schweigen und wandte sich an mich: „Ich möchte, dass du morgen Laurent anrufst. Wir wollen einige Zünder kaufen.“
Am nächsten Tag hatte ich, wie ausgemacht, ein Treffen mit Gilles. Ich merkte gleich, dass etwas anders geworden war. Wir trafen uns auf gewohnte Weise, und ich folgte ihm. Aber anstatt wie bisher zur Place Rogier zu gehen, schlug er an diesem Tag eine völlig andere Richtung ein. Wir gingen am Botanischen Garten vorbei und betraten dann ein Hotel in der Nähe der Place Madou. Auch dieses Hotel war völlig anders, billig und heruntergekommen. Es glich in keiner Weise den Nobelunterkünften, in denen wir uns gewöhnlich trafen.
Gilles lieferte dafür keine Erklärungen, und ich stellte keine Fragen. Wir setzten unser Gespräch an der Stelle fort, wo wir aufgehört hatten, bevor ich nach Marokko abgereist war. Ich erzählte ihm, dass Yasin schon wieder nach Semtex und den dazugehörenden Zündern suchte. Gilles reagierte bestürzt.
„Glaubst du, sie planen irgendwelche Anschläge hier in Europa? “, fragte er. „Haben Amin und die anderen etwas in diesem Sinne erwähnt?“
Davon hatte ich tatsächlich nichts gehört, und das erzählte ich auch Gilles. Dieser stellte mir dann viele Fragen über meine Reise nach Marokko, etwa wo ich das Auto gelassen hätte und wer meine Kontaktperson gewesen sei. Vor allem Letzteres interessierte ihn brennend. Trotzdem sagte ich es ihm nicht. Ich war ein großes Risiko eingegangen, um diesen alten Mann zu schützen, und würde diesen deshalb nicht jetzt noch im Nachhinein in Gefahr bringen.
„Kannst du mir sein Aussehen beschreiben?“, fragte er.
„Ich kann mich nicht erinnern.“
„Wie kannst du dich denn nicht mehr erinnern, wie er aussah? Kannst du mir wirklich nichts über ihn erzählen?“
„Er war kleiner als ich, etwa 1,70 Meter groß“, sagte ich. „Alt.“
Gilles
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