Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story
liefern diesen Mann praktisch ans Messer.“Yasin hatte natürlich Recht. Dieser Mensch war nun nicht gerade ein typischer GIA-Kämpfer. Er war nur ein Laufbursche. Er würde nichts mit dem Auto und dem darin versteckten Material anfangen können. Aber wenn sein Name in den Papieren stand, war er für alles verantwortlich, was damit geschah, selbst wenn er es jemand anderem überließ. Ich verstand diese Situation nur zu gut. Der alte Mann hatte sich nur für eine kurze Übergabe verpflichtet. Er hatte niemals die Absicht, sich für den Krieg zu melden.
Yasin ließ nicht locker. Offenbar war ihm der alte Mann sehr wichtig. „Er riskiert sein Leben für diese Sache. Möglicherweise auch das seiner Familie. Ganz zu schweigen von der gesamten Nachschubkette.“
Es reichte mir jetzt. Ich hatte mich ja auch nicht für ihren Krieg gemeldet. „Hör mal, das ist nicht mein Problem. Besorgt mir einfach nur diese Papiere.“Dann legte ich auf.
Ich traf den alten Mann einige Stunden später. Er nickte, als ich ihn nach dem Geld fragte.
„Ja, ich habe das Geld.“Er klang wie ein toter Mann. Sein Blick war völlig leer – er starrte nur noch vor sich hin. „Lass uns die Steuer bezahlen und den Papierkram erledigen.“
Sein Anblick entmutigte mich. Ich dachte an die Situation seiner Familie und an deren mögliche Leiden, wenn er verhaftet wurde. Ich dachte an die Polizei in Marokko, daran, wie sie „radikale“und „subversive Elemente“folterte und umbrachte. Ich bewunderte den alten Mann. Er war willens, das Auto auf seinen Namen eintragen zu lassen, ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen. Er glaubte an das, was er tat.
Ich legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. „Vergiss es, Bruder“, sagte ich. „Mach dir keine Gedanken mehr wegen der Papiere.“Ich konnte das einfach nicht so durchziehen, konnte es diesem freundlichen alten Mann nicht antun. Ich nahm das restliche Geld aus der Tasche und gab es ihm.
Er starrte mich ungläubig an. Ich glaube, er wartete darauf, dass ich alles, was ich gesagt hatte, wieder zurücknahm. Als das nicht geschah, weiteten sich seine Augen, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Ich lächelte zurück.
Ich begleitete den alten Mann zu der Straße, in der ich das Auto abgestellt hatte. An jenem Morgen hatte ich es mit Hilfe einiger Nachbarjungen aus der Garage geschoben. Ich wollte nicht, dass der alte Mann oder irgendjemand aus seinem Bekanntenkreis auch nur das Geringste über mich oder meine Cousine wusste. Ich erklärte ihm, dass der Motor des Wagens nicht mehr ansprang und er deshalb einen Mechaniker auftreiben müsse. Er nickte, und es war klar, dass er bereits Bescheid wusste. Wir standen vor dem Auto, als ich ihm die Schlüssel überreichte.
„Sallamu Alaykum“, sagte ich.
„Alaykum Sallam.“ Er neigte bei diesem Gruß leicht den Kopf.
Ich ging ein Stück spazieren, dann setzte ich mich in ein Café, um eine Zigarette zu rauchen und mich auszuruhen. Aber ich musste weiter an den alten Mann denken. Ich wollte mich vergewissern, dass er den Wagen sicher von der Stelle gebracht hatte. Also ging ich an den Ort zurück, an dem wir uns wenige Minuten zuvor voneinander verabschiedet hatten. Das Auto war bereits weg.
Sofort schickte ich eine Nachricht an Gilles, mit der ich ihm mitteilte, dass ich den Wagen übergeben hatte. Er rief gleich zurück und fragte, wann ich nach Belgien zurückkehren würde. Ich sagte ihm, das könne ein paar Wochen dauern, weil ich für die Wiedereinreise ein Visum bräuchte. Er sagte, ich solle so schnell wie möglich zurückkommen.
Dann rief ich Yasin an, der sehr glücklich klang und stolz auf mich war.
„Masha’allah, masha’allah.“ Dann dankte er mir, weil ich dem alten Mann das Auto übergeben hatte, ohne dessen Ummeldung auf seinen Namen zu verlangen.
Ich sagte ihm, dass ich dem alten Mann das ganze Geld gegeben hätte und jetzt Geld für die Rückreise bräuchte. Yasin versprach, es mir bald zu schicken, innerhalb weniger Wochen. Ich nutzte die Zeit, um meine Papiere in Ordnung zu bringen und einen Führerschein zu beantragen. Ich hatte einen Bekannten im Konsulat – einen alten Freund meines Vaters -, der mir mit dem Visum behilflich sein konnte.
Nach zwei Wochen rief ich Yasin wieder an. Er sagte mir, er habe das Geld immer noch nicht, ich solle in Tanger bleiben und warten. Ich wusste, dass er log. Das war klar. Ich hatte ein ganzes Jahr mit diesen Leuten zugebracht und wusste, wie viel Geld bei ihnen
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