Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story

Titel: Mein Leben bei al-Qaida - Nasiri, O: Mein Leben bei al-Qaida - Inside the Jihad. My Life with Al-Qaida. A Spy's Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Omar Nasiri
Vom Netzwerk:
Yasin. „Hast du ihnen von Marokko erzählt? “
    „Ja.“
    „Hast du ihnen den Namen unseres Kontaktmanns genannt?“
    „Nein. Über ihn habe ich ihnen überhaupt nichts erzählt.“Dies war die reine Wahrheit.
    Erneutes tiefes Schweigen. Immer noch rührte sich niemand.
    Und dann richtete wieder Amin das Wort an mich.
    „Und warum hast du das getan?“
    Seine Stimme klang nicht ärgerlich. Ich merkte, dass er vollständig ruhig war. Damals war ich von seiner Reaktion überrascht. Ich verstand nicht, warum er und Yasin so ruhig waren. Warum sie mich nicht anschrien oder versuchten, mir an die Kehle zu gehen. Später wurde es mir klar.
    Ich dachte einen Augenblick darüber nach, wie ich mein Verhalten begründen könnte. Tatsächlich hatte ich nichts davon bedacht, als ich in den Wagen eingestiegen war.
    „Ich habe es für euch getan“, sagte ich schließlich ganz langsam. „Für uns alle. Für die Mudschahidin . “Ich begann nun schneller zu sprechen. „Ich wusste, dass ich mehr tun konnte, wenn ich da reinkommen würde. Der Feind lässt sich am besten von innen heraus bekämpfen. Dies wird meine Form des Dschihad sein.“
    Ich konnte weder Amins noch Yasins Gesicht sehen. Aus den Augenwinkeln konnte ich jedoch erkennen, wie Hakim ganz leicht nickte.
    Niemand sprach mehr ein Wort. Amin machte den Motor an, und wir fuhren nach Hause zurück. Beim Aussteigen schaute ich sie alle drei an. Ihre Augen waren weit offen und völlig ausdruckslos – wie die Augen von Toten.
    Das gesamte Gespräch dauerte nur fünf Minuten, aber ich habe danach viele Jahre darüber nachgedacht. Bis heute ist mir allerdings nicht ganz klar, warum ich so handelte. Ich weiß nur, dass das alles nicht vorausgeplant war. Ich war wie in Trance, als ich in den Wagen einstieg. Aber ich war es, der in diesem Auto saß, und dies waren meine Worte.
    Ich war zwar krank und konnte nicht klar denken, trotzdem war das nicht der wahre Grund für mein Verhalten. In Wahrheit hatte ich Angst und wusste, dass ich alle Verbündeten brauchte, die ich bekommen konnte. Ich wusste nicht, was als Nächstes geschehen würde, aber ich wusste, dass ich auf alles vorbereitet sein musste. Ich war mir sicher, dass ein schwerer Sturm im Anzug war. Alles würde bis in den Himmel emporgeschleudert und dort durchgewirbelt werden, bevor es zur Erde zurückfiel. Auch ich würde emporgeschleudert werden und wusste nicht, wo mich dieser Sturm hinwehen würde.
    Ich konnte Gilles nicht trauen. Er hatte mich verraten. Zumindest war er im Begriff, es zu tun. Dessen war ich mir sicher. Aber ich konnte auch Hakim, Amin und Yasin nicht mehr trauen. Sie hatten sich schon einmal überlegt, mich zu töten, und sie hatten mich auf dieses Himmelfahrtskommando nach Marokko geschickt.
    Ich konnte niemandem trauen.

EID AL-FITR
    Am nächsten Morgen wachte ich sehr früh auf. Obwohl ich am Abend vorher völlig erschöpft zu Bett gegangen war, hatte ich nur sehr schlecht geschlafen. Als ich aufstand, fühlte ich mich noch schlechter als am Tag zuvor. Eigentlich hätte ich hinuntergehen sollen, um mit den anderen zu essen – der Ramadan war ja zu Ende gegangen -, und dann den Rest des Tags im Bett verbringen. Aber ich entschied mich dagegen. Ich hatte den Eindruck, aus dem Haus gehen zu müssen, obgleich ich es damals nicht so formuliert hätte. Ich verspürte nur so ein ganz bestimmtes Gefühl im Bauch.
    Ich verließ das Haus bereits vor sechs Uhr morgens und ging in die Innenstadt. Ich setzte mich in ein Café und rauchte ein paar Zigaretten, danach streifte ich ein bisschen durch die Straßen des Stadtzentrums. Mein Kopf war noch immer nicht ganz klar, und ich trug schwer an allem, was seit meiner Rückkehr aus Marokko geschehen war. Ich war von allen verraten worden, und ich hatte im Gegenzug alle verraten.
    Mein fiebernder Kopf war voller Gesichter, die Gesichter auf den Hunderten von Fotografien, die ich im letzten Jahr durchgesehen hatte, das Gesicht des alten Mannes in Marokko und der jungen Männer in unserem Haus, Gilles’ Gesicht, als er mich Thierry vorgestellt hatte, Hakims Gesicht, als ich verkündete, dass ich für den Geheimdienst arbeitete, Malikas Gesicht, als sie mir von dem Videoband erzählte, und das meiner Mutter auf diesem Foto, auf dem sie so jung aussah. Alle diese Gesichter tauchten in mir auf, ohne dass irgendeine Ordnung oder Reihenfolge zu erkennen gewesen wäre. Es waren einfach nur Gesichter.
    Ich wollte unbedingt wieder einen klaren Kopf bekommen. Ich

Weitere Kostenlose Bücher