Mein Leben in 80 B
uns daran, wen wir zu
The Cure
geküsst und über welche verlorene Liebe wir bei
Tausendmal berührt
geweint hatten. Ursprünglich hatten wir noch in einen neuen Club gehen wollen, um zu tanzen, aber nun waren wir viel zu satt und viel zu angetrunken und viel zu zufrieden, um uns unter fremde Menschen zu begeben.
Genau so hatte ich mir den Auftakt des Wochenendes vorgestellt. Wir lagen in unseren Pyjamas in Elissas riesigem Bett, das durch eine Matratzenauflage aus Daunen weich wie eine Wolkenlandschaft war, schauten uns
Pretty Woman
auf DVD an und sprachen dabei unsere liebsten Dialoge mit. Wir futterten, bis uns die Bauchdecken spannten, und tranken Alkohol, bis wir aus dem Kichern nicht mehr herauskamen. Warum konnte ich Abende wie diesen nicht öfter haben?
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5. Kapitel
Am folgenden Morgen erwachte ich frisch und ausgeruht, und nach einem Blick auf die Uhr meines Handys war mir klar, warum: Es war nach elf. So lange hatte ich das letzte Mal als Studentin geschlafen. Niemand hatte mir die Decke weggezogen und nach Frühstück verlangt, keiner mit seinem Schnarchen meinen Schlaf gestört oder in der Nacht um ein Getränk gebeten. Die alkoholischen Begleiter des Abends hatten für eine angenehme Gleichgültigkeit beim Einschlafen gesorgt, die jeden tieferen Gedanken an mein Leben in Falkensee, an traurige Kinder und einen Ehemann unterband.
Ich ließ mich in die Kissen zurückfallen und lauschte. Das Gästezimmer, eingerichtet mit einem riesigen weißen Bett, weißen Regalen, auf denen sich Bildbände an Reiseführer und Kochbücher reihten, und weißen Knüpfteppichen auf dem Parkettboden, lag am Ende eines kleinen Flurs, der vom Wohnzimmer abging. Auf dem kleinen Nachtschrank standen eine Schale mit Schokolade und ein Strauß orangefarbener Rosen, die Elisa extra für mich besorgt hatte. Es war wunderbar, hier zu sein, ich liebte Elissas kleines Reich. Natürlich war unser Haus in Brandenburg auch gemütlich, aber Elissa hatte sich schön hell einrichten können, ohne darauf Rücksicht nehmen zu müssen, dass ein Junge seine Hosentaschen auf dem Fußboden ausleerte oder mit Freunden einen völlig verdreckten Ball durch die Räume kickte. Alles war aufgeräumt und klar. Hätte ich ein Hotel für gestresste Mütter einrichten müssen, ich hätte mich immer an Elissas Wohnung orientiert.
Ihre Dachgeschosswohnung mit den riesigen Fenstern und einer großzügigen Terrasse vor der offenen Küche erstreckte sich über zwei Ebenen. Durch die großen Fenster konnte man etwa dreihundert Meter entfernt zwischen den Häusern hindurch ein klitzekleines Stück der grauen Nordsee erkennen. Am Himmel darüber sorgten ein paar Wolken für einen perfekten blau-weißen Nolde-Himmel.
Gegenüber der Küchenzeile stand ein langer Esstisch aus grobem dunklem Holz, auf dem in einer großen Silberschale Muscheln und Steine lagen, die von ausgedehnten Strandspaziergängen zeugten. Ich hatte selbst schon einige Fundstücke hier abgelegt. Mitten im kombinierten Wohn- und Esszimmer befand sich eine schwarz lackierte Holztreppe, die nach oben zu einer kleinen Leseecke mit einem grauen Ohrensessel auf der Galerie und zu Elissas Schlafzimmer führte. Von dort war nichts zu hören. Auch aus dem Badezimmer, das direkt neben meinem Gästezimmer lag, kam kein Geräusch.
Ich stand auf und öffnete die Tür zum Flur. Sofort empfing mich Kaffeeduft, der mich magisch zur Küchenzeile zog. Hier war alles sehr modern aus Stahl und mit schwarz lackierten Schränken. Erinnerte mich eher an die Brücke auf dem Raumschiff Enterprise als an eine Küche, was auch daran liegen mochte, dass hier alles wie neu glänzte. Kein Wunder, wenn man meistens auswärts essen ging.
An der Thermoskanne auf der Arbeitsplatte lehnte ein Zettel.
Liebe Ilse,
Kaffee ist in der Kanne. Alles, was du für ein Frühstück brauchen könntest, findest du im Kühlschrank oder nebenan im Café. Die Leute dort kennen mich, und ich habe angekündigt, dass meine liebste Freundin vielleicht vorbeikommt und mächtig verwöhnt werden soll. Ich muss leider noch mal kurz in die Redaktion wegen eines Sonderheftes über Frühstücksrestaurants. Wenn es schnell geht, melde ich mich, dann können wir uns irgendwo treffen. Vergiss nicht, dass wir um 17 Uhr bei meinem neuen Lieblingskoch in der Schützenstraße verabredet sind. Und schmink dich, bevor du aus dem Haus gehst, man weiß nie, wem man hier auf der Insel der Reichen und Schönen begegnet. Angeblich sind
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