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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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hatte ich doch den Eindruck, dass die Menschen hier auf der Insel entspannter und viel weniger hektisch unterwegs waren. Auf meinem Bummel durch die Friedrichstraße geriet ich regelrecht in einen Kaufrausch: In einem Souvenirladen kaufte ich ein Kapuzensweatshirt mit dem Aufdruck
Inselkind
für Tom, in einem Designerladen eine kleine Tasche für Hanna, und für Toni fand ich einen dicken Bildband mit den besten Werbefotos der Siebziger. Oma Etti würde ich Plätzchenausstecher in Inselform mitbringen. Und in der Schokoladenmanufaktur neben dem Café Wien besorgte ich noch für alle mit Gummibärchen und Butterkeksen gefüllte Schokolade. Möglicherweise waren diese Dinge gar nicht so besonders, wie sie mir vorkamen, und ich hätte im KaDeWe oder am Alex in Berlin Ähnliches entdecken können, aber dort fehlte mir die Ruhe für ausgiebige Bummel durch die Einkaufszentren.
    Seltsam, wie weit mir Falkensee entfernt schien. Einerseits fehlten mir meine Liebsten, andererseits genoss ich es, ganz allein unterwegs zu sein. Niemand, der plötzlich auf die Toilette musste, niemand, der in einem Laden mit dröhnend lauter Musik eine halbe Stunde brauchte, um sich zwischen zwei T-Shirts zu entscheiden, und niemand, der bei jedem Stopp die E-Mails auf seinem Handy checkte. Ich konnte einen Kaffee trinken, wann und wo ich wollte, und mir die vielen unterschiedlichen Leute ansehen, die in der Fußgängerzone auf und ab liefen. Beladen mit Einkaufstüten, Kinderwagen schiebend, in Eile, um einen Termin einzuhalten, oder Händchen haltend und ganz verliebt.
    Früher waren Toni und ich auch jeden Weg Hand in Hand gegangen. Irgendwann hatte dann Hanna nach meiner Hand verlangt, und Toni trug die Einkaufstaschen. Inzwischen zog Toni bei längeren Wegen lieber Handschuhe an, als sich an meinen Fingern zu wärmen, und ich schleppte meistens ohnehin irgendetwas oder musste mein Geld aus der Tasche holen oder Sachen in den Einkaufswagen legen.
    Von Elissa bekam ich eine SMS , es würde doch länger als erwartet in der Redaktion dauern. Sie wünschte mir viel Vergnügen beim Einkaufen.
    Ich beschloss, heute alles mitzunehmen, was eine echte Sylt-Touristin mitnehmen muss: Beim Fischimbiss von Gosch aß ich ein Krabbenbrötchen, bei Leysieffer eine rote Grütze zum Milchkaffee. Danach schlenderte ich durch Boutiquen und Läden und ließ mich vom Weihnachtsschmuck inspirieren. In der Filiale einer großen Kosmetikkette schnupperte ich mich durch die neuesten Düfte und gönnte mir einen neuen Lippenstift mit passendem Nagellack. Im Vorbeigehen entdeckte ich in einer Boutique ein tolles Top mit Pailletten, das sowohl zu einer Jeans als auch zu einem eleganten Rock passen würde. Auch das landete neben einem Paar Wanderstiefel in einer bunten Tüte. Zum Abschluss meines Spazierganges wärmte ich mich im modern eingerichteten Café LatteMar am Strandübergang mit einer heißen Schokolade mit Sahne wieder auf.
    Dann schlenderte ich im dunkler werdenden Westerland durch die Elisabeth- und Käpt’n-Christiansen-Straße langsam zur Schützenstraße, in der Elissa ihren Geburtstag feiern wollte. Überall brannte bereits Licht hinter den Fenstern, Weihnachtssterne blinkten, und in vielen Gärten standen beleuchtete Tannen. Ich konnte Menschen beobachten, die mit der Zubereitung des Abendessens beschäftigt waren, andere, die es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hatten, und wieder andere, die zu mir hinausschauten und sich wahrscheinlich darüber wunderten, was jemanden an so einem ungemütlichen Abend wie diesem überhaupt vor die Tür trieb. Ich wünschte, ich hätte eine Kamera dabeigehabt, um meine Eindrücke festzuhalten. Fast bedauerte ich es, als ich am Hotel hinter dem Deich ankam, in dem ich meine Freundin treffen sollte.

[zur Inhaltsübersicht]
    6. Kapitel
    Das Restaurant von Elissas neuem Freund, dem Koch, lag ein klein wenig abseits der touristischen Hochburgen der Insel. Aber über eine lange Treppe, «Himmelsleiter» genannt, konnte man auch hier in wenigen Minuten über den Deich zum Strand gelangen.
    Hier sollte also morgen die große Party steigen. Das Luxushotel war ein Komplex aus mehreren Gebäuden, die zwar groß, aber nicht übermächtig vor den Deich gebaut worden waren. Vor der Eingangstür standen die typischen weißen Friesenbänke, ein Fußabstreifer, an dem man die sandigen Strandschuhe säubern konnte, und es gab einen Ring, an dem im Sommer die Hunde angeleint werden konnten. Jetzt allerdings grinste der

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