Mein Leben in 80 B
zarte Freundin Elissa neben ihrem schnittigen roten Cabriolet. Für mich immer wieder unglaublich, wie Elissa so dünn und drahtig bleiben konnte, bei dem ganzen wunderbaren Essen, das sie manchmal mehrmals täglich in sich hineinschaufelte. Aber da sie ständig in Bewegung und offensichtlich mit besten Genen gesegnet war, setzte auch die fetteste Nachspeise nicht bei ihr an. Jetzt sprang sie auf und ab wie ein Flummi, als sie mich kommen sah, lachte und verdrehte die Augen.
«Ach du liebes bisschen, ich dachte, du bleibst nur ein paar Tage, du hast ja Gepäck dabei als würde deine Brut mit der nächsten Bahn für eine Woche nachkommen. Lass dich drücken. Dann fahren wir jetzt erst zu mir und stoßen darauf an, dass wir uns endlich mal wiedersehen. Etwas essen musst du sicher auch, ich habe tolle Sachen eingekauft. Aber wie machen wir das mit den Koffern, mal sehen? Heh, könnten Sie wohl mit anpacken? Hallo, Entschuldigung? Ja, wenn Sie mal kurz hier helfen würden …»
Elissa machte mich mit ihrem Begrüßungswortschwall erst einmal sprachlos. Sie nahm mich in den Arm, drückte mich fest und gab mir einen Kuss auf die Wange, schob mich auf den Beifahrersitz und baggerte dann mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme einen vorbeigehenden Dressman an, der ihr nur zu gerne mit einigen Verrenkungen meine schweren Koffer über die Fahrerseite auf die kaum vorhandene Rückbank des Wagens schob. Als Dankeschön musste ihm ein strahlendes Lächeln meiner Freundin mit ihren schneeweiß gebleachten Zähnen ausreichen.
Der unerhört gut aussehende Passant stand noch völlig gefangen neben dem Wagen, während Elissa einstieg, vor dem Rückspiegel ihren Lippenstift nachzog und weiter auf mich einredete.
«Einen Ehering hatte der nicht, vielleicht hätte ich ihn doch nach seiner Telefonnummer fragen sollen? Na, egal, wahrscheinlich sowieso schwul. Hattest du eine angenehme Fahrt hierher? Zweimal umsteigen, also ehrlich, dass es keine direktere Verbindung gibt, ist der Wahnsinn, warum bist du nicht geflogen? Kann doch nicht die Welt kosten. Oder fliegen die jetzt im Winter gar nicht? Für heute Abend wollte ich uns eigentlich einen Tisch reservieren, falls du ausgehen willst. Ich dachte, ich verbinde das Nützliche mit dem Angenehmen, und wir gehen in einen neuen Laden, den ich sowieso noch besprechen muss. Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Bist du müde?»
«Nein, nein, es ist alles in Ordnung, ich freue mich, endlich mal wieder hier zu sein. Ich bin überwältigt von den Menschen und der Fahrt und vor allem von dir, und wenn du die ganze Zeit quasselst, habe ich ja gar keine Chance zu erzählen.» Ich wickelte den Schal von meinem Hals, denn im Auto lief die Heizung auf Hochtouren.
Elissa warf mir einen Blick zu, um zu checken, wie ernst ich den Vorwurf meinte, und grinste. Dann schaute sie hektisch wieder auf die Straße, um mit Vollgas und Hupen einen Fahrradfahrer zu überholen.
«Penner! Diese beknackten Touristen fahren durch die Stadt, als würden für sie keine Verkehrsregeln gelten. Hast du gesehen, wie der vor mir hergeeiert ist? Der hat sie wohl nicht alle.»
Sie hupte noch einmal, während sie in den Rückspiegel blickte und sich gleichzeitig ein Kaugummi aus der Handtasche auf der Rückbank fummelte. Während sie kaute, die Straße scannte und aufs Gaspedal trat, setzte sie die Befragung fort.
«Ilse, ich mach mir doch auch meine Gedanken. Ich weiß ja, dass es dir nicht leichtfällt, deine Familie alleinzulassen. Nun erzähl, ist der Abschied ohne Tränen vonstattengegangen? Hat Toni dir noch ein kleines Liebesbriefchen zugesteckt? Und hast du schon Heimweh?»
Ich hatte meine Freundin erst wenige Minuten zurück, aber ich fühlte mich bereits jetzt wieder so heimisch wie in den Schultagen an Elissas Seite. Sie ließ mir kaum Zeit zum Luftholen, wollte alles wissen, aber noch lieber selbst erzählen. Bevor ich auf eine ihrer Fragen antworten konnte, ratterte Elissa weiter.
«Für meine Party übermorgen ist alles sehr gut organisiert. Es kommen mindestens achtzig Leute, ich freue mich schon wahnsinnig. Wenn du den Koch erst gesehen hast, wirst du verstehen, warum ich so begeistert bin, der ist eine echte Entdeckung. Nicht nur wegen seiner Optik, sondern vor allem wegen seiner Ideen in der Küche. Ich sage dir, das ist der Wahnsinn …»
Ich nutzte ihr schwärmerisches Seufzen, um schnell auf die letzten Fragen zu antworten. «Meine Fahrt war okay. Tom war zum Glück schon in der Schule, als mein Taxi kam,
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