Mein Leben in 80 B
dafür hat er gestern Abend beim Einschlafen geweint und mich bearbeitet, doch zu Hause zu bleiben. Du kannst dir nicht vorstellen, wie einen das zerreißt …»
«Nein, Schätzchen, das will ich mir auch gar nicht vorstellen. Natürlich weiß ich, dass es für dich nicht einfach ist, alles andere wäre auch erstaunlich und hätte nichts mit einer glücklichen Ehefrau und Mutter zu tun. Aber ich habe wirklich mit Absicht keine Kinder, auch wenn du immer meinst, du müsstest mich noch bekehren. Ich genieße es, jederzeit da hinfahren zu können, wo es gerade abgeht, ohne vorher eine Oma Nudel einfliegen zu lassen und …»
«Oma Etti! Von Spaghetti!»
«Egal, du weißt ja, wen ich meine. So, da wären wir.»
Elissa steuerte den roten Flitzer über eine Garageneinfahrt in den Hinterhof ihres Wohnhauses in der Steinmannstraße von Westerland. Das Haus war dreistöckig, mit ausgebautem Dachgeschoss und außen rot geklinkert. Die Einfahrt befand sich zwischen Elissas und dem Nachbarhaus und führte auf einen Hof mit überdachten Parkplätzen und Garagen. Im hinteren Bereich hatte jemand eine kleine Grünfläche angelegt und eine Bank aufgestellt. Leere Blumenkübel und ein abgedeckter Grill zeugten von langen Sommerabenden unter Nachbarn. Vielleicht war das Plätzchen aber auch nur ein Zugeständnis an die Feriengäste, die hier in einigen der Wohnungen untergebracht wurden. Elissa machte sich nicht die Mühe, in ihre Garage zu fahren, sondern hielt direkt vor der Hintertür des Hauses vor dem «Parken verboten»-Schild.
«Erst mal schaffen wir deine Schrankkoffer nach oben. Hab keinen Bock, die über den ganzen Platz zu buckeln.»
Sie hievte die Gepäckstücke aus dem Auto, nahm einen vorbereiteten «Bin gleich zurück»-Zettel aus dem Handschuhfach und legte ihn auf die Ablage vor der Windschutzscheibe.
«Nimm mal meine Handtasche von der Rückbank, bitte, und hol den Haustürschlüssel heraus. Der für diese Tür ist der kleine silberne, der einzeln am Bund hängt.»
Ich wühlte so lange zwischen Kaugummipackungen, Taschentüchern, Lippenstiften, Zuckertütchen und alten Quittungen herum, bis ich den Schlüsselbund fand. Nachdem ich die Tür geöffnet hatte, polterte Elissa mit meinen Koffern die drei Stufen zum Fahrstuhl hoch und drückte stöhnend den Knopf.
«Mensch, bei deinen Sachen hier tut es mir schon fast wieder leid, dass ich gesagt habe, du kannst bei mir wohnen. Ich hoffe für dich, dass das meiste in diesen Koffern Geschenke für mich sind, sonst, meine Liebe, wird das ein hartes Wochenende für dich!» Sie grinste und nahm mich in den Arm. «Ich freu mich so, dass du da bist!»
Den ganzen Nachmittag verquatschten wir, lachten viel über alte Zeiten und brachten uns gegenseitig auf den neuesten Stand. Elissa berichtete von abenteuerlichen One-Night-Stands, von kulinarischen Offenbarungen, Restaurant-Desastern und ihren Plänen für die Geburtstagsfeier am Sonnabend. Ich erzählte von Tom und Hanna, von lustigen Dessous-Party-Abenden mit ehemaligen Klassenkameradinnen und von Tonis Arbeit. Meine Lucinda-Mitbringsel hatte Elissa gleich begeistert anprobiert und Vermutungen darüber angestellt, wer ihrer derzeitigen Favoriten ihr wohl den Slip Modell
Denise
(Mini-String aus einer aparten Mischung aus Spitze und Tüll, Materialmix aus Nylon, Baumwolle und Elasthan in Dunkelgrün mit Schwarz ab 63 , 90 €) vom Körper reißen würde. Den Body
Grace
(mit langen Ärmeln aus Wolle, Seide und Elasthan, die Arm- und Beinabschlüsse aus sanfter Merinowolle, am Halsausschnitt exklusive Spitze, ab 169 , 50 €) hatte sie für partytauglich befunden und ihm gleich einen Ehrenplatz in ihrem Kleiderschrank eingeräumt.
Den geplanten Restaurantbesuch verschoben wir und aßen stattdessen, was der Kühlschrank hergab. Und das war einiges. Elissa hatte anscheinend eine Rundreise durch sämtliche Feinkostgeschäfte der Insel gemacht, denn neben gebratenen Jakobsmuscheln, Krabben, exotischen Salaten und frischen Ananasscheiben gab es unterschiedliche Pasteten, spanische Wurst und italienische Tomaten, ausgefallene Käsesorten und eine Auswahl an winzigen Törtchen. Nach unzähligen Tüten mit Knabbereien, Schokolade und Gummitieren, die dem «richtigen Essen» im Laufe des Abends noch gefolgt waren, bekam ich langsam Angst, ich würde bei meiner Abreise in keine meiner Hosen mehr passen.
Dazu tranken wir verschiedene Weine und zum Abschluss Champagner. Wir hörten Musik aus den Achtzigern und erinnerten
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