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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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dem Fahrstuhl konnte ich direkt ins Restaurant im vierten Stock fahren und dabei im großen Wandspiegel noch einmal mein Outfit überprüfen. Meinen Mantel hatte ich im Wagen gelassen und nur die Handtasche mitgenommen. Sah einfach schicker aus, wenn mir auch eigentlich zu kalt war. Beim Versuch, aus dem Lift auszusteigen, wurde ich fast von einem älteren Ehepaar umgerannt – er im dunkelblauen Anzug mit Marineknöpfen, diagonal gestreifter Krawatte und Leichenbittermiene vorneweg, sie im sandfarbenen Kostüm hinterher, wild gestikulierend und offensichtlich nicht bester Laune. «Isch hobbe die Foxn digge! Mior schdähd’s bis hior ohm!»
    War das Essen hier so schlecht? Oder war das einfach eine Ehe, die das Haltbarkeitsdatum überschritten hatte? Die Fahrstuhltür schloss sich hinter den beiden.
    Ich stand noch in Schockstarre da, als ich angesprochen wurde. «Ilse? Ilse, bist du das?»
    «Oke! Hallo!»
    «Ich war mir bei deiner Rückansicht nicht ganz sicher, ob du’s bist. Toll, dass es geklappt hat. Komm, ich stell dir den Freund vor, der hier kocht.»
    Er gab mir kurz wie einer entfernten Bekannten die Hand und drehte sich um. Ich dackelte Oke das kleine Stückchen vom Flur zum Restaurant hinterher. Eigenartig, ihn hier in Berlin zu treffen. Mir war noch nicht klar, ob ich mich freute oder ob es mir doch ein wenig unheimlich war, mich meinen Gefühlen für ihn so auszusetzen.
    In diesem Restaurant war ich noch nie gewesen. Elissa hatte mir erzählt, dass der Koch aus Kroatien kam und den Betrieb vom viel gefeierten Tim Raue übernommen hatte. Sein Nachfolger hatte sich auf das Kochen mit Kräutern spezialisiert. Vor allem der Mittagstisch war bei Geschäftsleuten sehr beliebt, weil man sich sein Menü aus den angebotenen Gängen selbst zusammenstellen konnte. Das Interieur erschien mir sehr edel, runde Tische mit weißen Tischdecken, hellbeigefarben bezogene hochlehnige Stühle mit elegantem Rückenschwung. Modern, aber nicht ungemütlich. Der Raum war mit Tannenzweigen in hohen Bodenvasen und geschmackvollen kleinen Gestecken auf den Tischen weihnachtlich dekoriert, überall brannten weiße Kerzen in schmalen Leuchtern. Ohne Oke hätte ich mich wegen der vielen Kellner und unzähligen Bestecke geängstigt, ein ganzes Essen ohne Fleckenunfälle und Peinlichkeiten zu überstehen. Aber sein Lächeln und die Wärme, die von seinem Körper ausging, beruhigten mich.
    Ein freundlicher junger Kellner nickte Oke zu und führte uns zu einem Tisch am Fenster. «Herr Kresovic kommt gleich zu Ihnen. Kann ich etwas zu trinken anbieten? Vielleicht einen Champagner?»
    «Gerne.» Ein Glas durfte ich mir wohl gönnen, ohne dass ich gleich den Wagen stehen lassen musste. Schließlich würde ich gleich reichlich zu essen bekommen.
    «Ich nehme nur ein stilles Wasser, bringen Sie uns bitte eine große Flasche», orderte Oke.
    Der Kellner verschwand. Kurz darauf erschien eine junge Kollegin an meiner Seite, die mit einem freundlichen «Darf ich?» meine Handtasche vom Boden aufhob und auf ein kleines Holzbänkchen stellte. Beeindruckend.
    «Woher kennt ihr euch denn, du und dieser Koch hier?», versuchte ich, die leicht sperrige Stimmung mit Smalltalk aufzulockern.
    «Totaler Zufall. Wir sind uns am Flughafen in Tokio über den Weg gelaufen, als unsere Maschine mehrere Stunden Verspätung hatte. Danijel hatte Imagawayaki dabei, so ein rundes gefülltes Gebäck, und bot mir davon an. Darüber kamen wir zum Thema Kochen und stellten fest, dass wir beide in Japan unterwegs gewesen waren, um Küchen zu testen und möglichst viele Gerichte zu probieren … Da kommt er ja.»
    Ein junger, mittelgroßer Mann mit wenig – fast gar keinen – Haaren, fröhlich blitzenden braunen Augen und Lachfältchen kam strahlend auf unseren Tisch zugeeilt.
    «Oke, mein Lieber! Ich dachte, du kommst zum Schnippeln in die Küche, statt dich hier bewirten zu lassen.» Er lachte, zog Oke aus dem Stuhl in seine muskulösen Arme und tätschelte ihm den Rücken. «Haaach, Junge, ist das schön, dich zu sehen.» Dann schob er Oke zurück und drehte sich zu mir. «Entschuldigen Sie die Unhöflichkeit, aber die Wiedersehensfreude … Willkommen. Sie müssen Ilse sein, ich habe schon viel von Ihnen gehört.» Er reichte mir formvollendet die Hand und setzte sich dann, um dem Kellner Platz zu machen, der mit den Getränken an den Tisch getreten war.
    Wie war denn das gemeint: ‹schon viel von Ihnen gehört›? Was hatte Oke über mich gequatscht? Egal,

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