Mein Leben in 80 B
dir deine Wut und lass dich nicht kleinkriegen. Wenn, und ich betone:
Wenn
Toni dich wirklich betrügt, kannst du es sowieso nicht mehr ändern. Sondern nur überlegen, wie du damit umgehen willst. Du solltest dich allerdings fragen, ob es dir unter diesen Umständen leidtut, was heute mit Oke vorgefallen – oder besser
nicht
vorgefallen ist.»
«Das eine hat doch mit dem anderen überhaupt nichts zu tun!» Oder doch?, schrie eine böse Stimme in meinem Kopf.
«Nicht? Bist du sicher?», ließ auch Elissa nicht locker.
Nein, das war ich natürlich nicht. Aber um nicht an mein eigenes schlechtes Gewissen denken zu müssen, machte ich mich auf Spurensuche in meinem Haus.
Ich griff in jede Sakko- und Hosentasche im Kleiderschrank und fand altes Kaugummipapier, eine Tankquittung und etwas Kleingeld. In der Tasche von Tonis grauer Strickjacke versteckte sich ein Haargummi von Hanna, und in der hinteren Tasche der neuen Jeans hatte er den Kassenbon eines Supermarkts vergessen, in dem er vor einigen Tagen eine Cola und eine Tüte Weingummi gekauft hatte.
Als Nächstes führte mich mein detektivisches Unterfangen in Tonis Arbeitszimmer gleich neben den Kinderzimmern im ersten Stock. Alles hier roch nach Mann. Toni hatte sich mit diesem Raum einen Traum erfüllt und ihn eingerichtet wie in einem englischen Roman: In einer Ecke stand ein dunkelgrünes Zweisitzer-Chesterfield-Ledersofa mit dazu passendem Sessel, davor ein kleiner dunkelbrauner Holztisch, auf dem einige Bildbände über Werbedesign und Städte wie New York oder San Francisco lagen. Im Regal dahinter befanden sich neben Aktenordnern und weiteren Büchern mehrere Flaschen Malt-Whisky und die dazugehörigen Gläser. Hier brütete Toni abends oft über seinen Ideen für neue Kampagnen oder sortierte die Abrechnungen. Er sagte, es wäre für ihn weniger schlimm, viel zu arbeiten, wenn wir ganz in der Nähe seien. Im Moment kam mir das nur heuchlerisch vor. Vielleicht war er manchmal einfach lieber in diesem Büro, weil ihn hier die Kollegen nicht ständig störten, wenn er mit seiner Angebeteten telefonierte. Wer war diese doofe Ziege überhaupt? Und wo hatte er sie kennengelernt? Bestimmt war sie jünger als ich und sah besser aus. War sie womöglich diese Nachwuchsschauspielerin, die sich durch den Joghurt-Werbespot den großen Durchbruch im Showgeschäft erhoffte? Mit der war er jedenfalls auch im Herbst in der Karibik zu einem Dreh gewesen, der fast zwei Wochen gedauert hatte. Ich war nicht sicher, wann Tonis Gleichgültigkeit mir gegenüber angefangen hatte. Etwa zu dieser Zeit? Hatte er nicht unverhältnismäßig viel von dieser Blondine erzählt? Auf einmal fiel es mir wesentlich leichter, mich als Miss Marple zu betätigen.
Tonis Schreibtisch, ebenfalls aus dunkelbraunem Holz, stand direkt vor dem Fenster. Darauf befanden sich eine grüne Bibliotheksleuchte, ein Laptop und mehrere übereinandergestapelte Ablagekörbe, in denen Toni die Quittungen für die Steuererklärung aufbewahrte. Diese Fächer nahm ich mir als Erstes vor. Ich blätterte mich durch alte Verträge, Rechnungen für Fahrdienste und Beleuchtungsanlagen, durch Bestellformulare für Druckerpapier und Tonerpatronen … und stieß schließlich auf den ersten Hinweis: einen Kassenzettel aus einem Juweliergeschäft für eine goldene Kette mit Anhänger. Der Beleg war eine knappe Woche alt. Toni hatte das Schmuckstück also kurz vor seiner Abreise gekauft. So weit war es also schon! Er besorgte teure Geschenke für seine Freundin. Ein Weihnachtsgeschenk für mich konnte diese Kette auf keinen Fall sein, denn Toni und ich hatten bereits vor Jahren vereinbart, uns keine Geschenke mehr zu machen und stattdessen im Skiurlaub zu zweit richtig edel essen zu gehen.
Der Skiurlaub … Der fiel dann ja wohl aus. Was unsere Freunde sagen würden, wenn sie hörten, dass Toni und ich uns trennten, weil er seit Wochen mit einem C-Sternchen herummachte? Bei dem Gedanken daran, wie die Kinder reagieren würden, kamen mir die Tränen. Vor allem für Tom bräche eine Welt zusammen, wenn wir uns trennten. Was wäre mit dem Haus, und wie sollte ich mich finanziell über Wasser halten, wenn Toni sein Geld lieber für die neue Geliebte ausgab als für mich und die Kinder? Allein von den Dessous-Partys konnte ich Benzin, Lebensmittel und die Schulsachen für die Kinder niemals bezahlen. Wie viel Unterhalt stand einem denn nach fünfzehn Jahren Ehe zu? Mir wurde schlecht, wenn ich darüber nachdachte, womit
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