Mein Leben in 80 B
sah mich fragend an.
«Hallo, jemand zu Hause? Ich bin wieder dahaaa.» Die Haustür fiel ins Schloss, und Tom sprang von seinem Stuhl auf.
«Papa!»
Ich blieb am Esstisch sitzen und nippte an meinem Kaffee, während ich versuchte, mein heftig schlagendes Herz wieder zu beruhigen.
Tief durchatmen und an
den Plan
denken.
Zunächst einmal wollte ich heute so tun, als ob alles in Ordnung wäre. Meine Detektivaktion von gestern Abend würde ich Toni gegenüber lieber ganz unter den Tisch fallen lassen und unter der Kategorie «bevor man vernünftig wird, muss man unvernünftig gewesen sein» abhaken. Natürlich fiel es mir schwer, ihn nicht sofort zu fragen, wer aus der Agentur ihn «Engelchen» nennen durfte, aber das hätte meine Columbo-Aktion sofort verraten. Toni würde es mir sicher nicht als Pluspunkt anrechnen, dass ich beim Schnüffeln so erfolgreich gewesen war.
«Boaahh, ist die schwer. Hast du mir was mitgebracht, Papa?» Tom schleppte die Reisetasche des Heimkehrers ins Wohnzimmer und schnaufte dabei wie eine Dampflok.
«Nee, Süßer. Dieses Mal hatte ich leider keine Zeit, nach einer tollen Überraschung Ausschau zu halten», entschuldigte sich Toni.
Klar, wahrscheinlich hatte er Halsketten und andere Schmuckstücke besorgen und mit seiner kleinen Geliebten nach den schönsten und teuersten Handtaschen und Designerpumps Ausschau halten müssen. Wen interessierten da schon die Kinder?
«Hallo, Bella. Schön, dass du zu Hause bist. Machst du mir auch einen Kaffee? Meine Güte, das war vielleicht ein Theater bei diesem Dreh. Das Model hat sich gleich am ersten Tag bei dem Versuch, mit dem Fahrrad einen klitzekleinen Hügel herunterzurollen, hingepackt und sich das Handgelenk angebrochen.» Toni gab mir einen zarten Kuss auf die Wange, fläzte sich auf einen Stuhl und sah mir dann dabei zu, wie ich ihm an unserer Espressomaschine einen Kaffee mit viel Milchschaum zubereitete. «Da konnte ich dann sehen, wo ich schnell einen passenden Ersatz herbekomme. Aber du kennst mich ja: Ich habe meinen unverwechselbaren Charme spielen lassen und in einer Disco ein echtes Naturtalent aufgetan. Wunderhübsches Mädchen, supernatürlich und ein ganz und gar unverbrauchtes Gesicht. Jetzt wird der Spot sogar noch viel besser als vorher. Findet der Kunde auch.»
«Papa, wo soll ich deine Tasche hinbringen?», krähte Tom, der inzwischen mit dem Gepäck die Treppe nach oben erklommen hatte.
«Stell sie einfach ins Schlafzimmer, mein Großer. Ich danke dir.»
«Darf ich Wii spielen? Meine Hausaufgaben habe ich fertig.» Tom nutzte die Gunst der Stunde und schätzte genau richtig ein, dass ihm in der allgemeinen Heimkehrstimmung niemand den Wunsch abschlagen würde.
Toni sah mich fragend an, und ich nickte. «Ja, eine halbe Stunde. Schau bitte selber auf die Uhr, okay?»
«Geht klar.» Wir hörten Türenklappern und dann die Startmelodie des Computerspiels, mit dem Tom sich momentan am liebsten die Zeit vertrieb.
Ich stellte meinem Mann den Kaffee auf den Tisch und versuchte, unauffällig an ihm zu schnuppern, als ich hinter ihm stand. Wenn dieses junge Luder bei ihm übernachtet hatte, dann hatte sie sicher auch Duftspuren hinterlassen.
«Und was hast du so getrieben, während ich weg war?»
Toni nippte an seinem Kaffee und lehnte sich zurück. Mit seinen strubbeligen roten Haaren sah er zum Anbeißen aus. Am liebsten wäre mir gewesen, er hätte mich in die Arme genommen und mit den Lippen zarte kleine Küsse hinter meine Ohren gepustet. So wie früher.
Wann war uns bloß dieses «Früher» abhandengekommen? Wann hatten Supermarktbesuche und Ausflüge in die Waschstraße die romantischen Spaziergänge und Kinoabende abgelöst? Und war es wirklich möglich, alles wieder an den Punkt null zurückzubeamen?
Ich setzte mich ihm gegenüber an den Tisch und trank weiter meinen Kaffee, der inzwischen fast kalt geworden war. «Ach, wie immer. Die Kinder und Lucinda, ein paar Weihnachtsvorbereitungen … Du kennst das ja, die Zeit vergeht wie im Flug. Jetzt bist du zurück, und ich habe nicht einmal die Hälfte der Dinge geschafft, die ich mir vorgenommen hatte.»
Toni beugte sich vor und legte seine Hand auf meine. «Das hört sich ja beinahe so an, als wäre es dir lieber, ich würde meine Reisen ausdehnen. Ich hatte gehofft, dass ich dir auch nach fünfzehn Jahren Ehe ein kleines bisschen fehle, wenn ich beim Einschlafen nicht neben dir im Bett liege.»
Seine Finger brannten auf meinen wie ein Bügeleisen. Dieser
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