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Mein Leben in 80 B

Mein Leben in 80 B

Titel: Mein Leben in 80 B Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Goerz
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weiß, wie ich durch die durchkommen kann: Kurz vor meinem Stopp kommt eine Kurve, und dann halte ich mich an der Haltestange fest. Wenn der Bus bremst, lasse ich mich einfach schwingen, und weil mein Ranzen so schwer ist, sause ich einfach durch die ganzen Mädchen auf einmal mit einem Megaschwung durch und kann aussteigen. Mama, ist das nicht eine echt coole Idee?»
    Ich hörte nur mit einem Ohr hin, was mein Sohn da plapperte. Mein anderes Ohr lauschte auf das Klappen der Haustür, denn Toni hatte für diese Zeit seine Rückkehr angekündigt.
    Ich saß in einer quietschengen Jeans und einem weißen Langarmshirt am Tisch, barfuß und dezent geschminkt. Ich wollte phantastisch und verführerisch aussehen, aber auch nicht so übertrieben, dass Toni dachte, ich wäre noch vom Abend vorher übrig geblieben.
    Noch gestern Nacht hatte ich mir bei einer Flasche Rotwein eine genaue Liste gemacht, wie ich wann reagieren, wann ich was zur Sprache bringen würde und was ich lieber für mich behalten wollte. Was meinen Körper an Flüssigkeit durch die Augen verließ, füllte ich in Form von Alkohol wieder nach.
    Ich hatte die Quittungen wieder an ihren Platz zurückgelegt und auch sonst in Tonis Arbeitszimmer alles wieder in seinen Urzustand versetzt.
    Auf den Rat von Elissa hatte ich dieses Mal verzichtet und mir stattdessen im Internet Informationen aus verschiedenen Artikeln zusammengesucht, die ich unter den Schlagwörtern «Ehebruch», «Betrug der Ehefrau» und «Scheidung» gegoogelt hatte.
    Um mich in den kommenden Tagen nicht von unerwünschten Ereignissen wie SMS -Nachrichten ablenken zu lassen, hatte ich nach dem ungefähr siebzehnten Glas Merlot eine SMS an Oke verfasst, in der ich mich für mein dämliches Benehmen im Hotel entschuldigte. Ich schob die Aktion mit der abgebrochenen Nummer auf mein hohes Alter und die damit einhergehenden Stimmungsschwankungen und bat ihn, mir nicht böse zu sein. Ich versprach, mich bald mit ausführlichen Erklärungen bei ihm zu melden. Das schien mir die richtige Entscheidung zu sein. Wahrscheinlich war ich sowieso nie richtig in Oke verliebt gewesen, sondern lediglich in die Vorstellung, dass mich ein wesentlich jüngerer Mann attraktiv fand. Um Oke tatsächlich für die nächste Zeit aus meinem Gehirn zu verbannen, merkte ich mir eine weitere Weisheit aus dem Internet: «Die Qualität zweier Männer soll man nur vergleichen, wenn es sich um Friseure handelt.»
    Als ich am frühen Morgen in das leere Ehebett gewankt war, ging es mir besser. Ich war zwar wie zerschlagen, aber optimistisch, meine Ehe retten zu können.
    «Wo ist denn eigentlich Hanna?», riss mich Tom aus meinen Gedanken. Er stopfte sich mit den Fingern den Rest eines Fischstäbchens in den Mund, nachdem er es reichlich in Ketchup gebadet hatte.
    «Die wollte nach der Schule zu Jana gehen und mit ihr für die Mathearbeit lernen.»
    «Hahahaha, das stimmt ja wohl überhaupt gar nicht!» Tom grinste mich verschmitzt an und griff nach einem weiteren Fischstäbchen.
    «Wieso stimmt das nicht?» Ich sah meinen Sohn an, der mit seinen Ketchupspuren rund um den Mund aussah wie nach einer Schlacht.
    «Na, weil Hanna einen Freund hat, und zu dem ist sie gegangen. Die küssen sich sogar, hab ich heute auf dem Schulhof genau gesehen. Da, wo die Großen sich immer verstecken, wenn sie heimlich Zigaretten rauchen wollen.» Tom triumphierte, weil er etwas wusste, was mir neu war. «Wenn du mir nicht glaubst, kannst du Matthie fragen, der hat es auch gesehen. Wir haben fast gekotzt, ey, das war voll eklig, ich glaube, die haben sogar gegenseitig Spucke in ihren Mund gemacht.» Er schüttelte sich in Erinnerung an diesen gruseligen Moment.
    Für den beinahe zehnjährigen Tom teilte sich die Welt noch ganz klar in die männlichen Gewinner mit dreckigen Jeans und ungekämmten Haaren und die ekligen Mädchen mit rosa Schultaschen, Glitzer-Haarspangen und Hello-Kitty-T-Shirts. Mütter befanden sich je nach Laune irgendwo dazwischen.
    Aber dass Hanna einen Freund hatte, hätte sie mir doch sicher erzählt? Das fehlte mir noch, dass ich mich um eine Teenie-Liebschaft kümmern musste. Als hätte ich nicht genug mit mir selbst zu tun. Wahrscheinlich hatte Tom mit seinem Kumpel Matthias irgendeine Freundin von Hanna beobachtet und machte eine große Geschichte daraus, um sie gegen einen Nachtisch einzutauschen.
    «Kann ich ein Eis haben?», fragte Tom wie zur Bestätigung, wischte sich mit dem Ärmel die Ketchupspuren aus dem Gesicht und

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