Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
er sah, dass ich viel massiger war als er selbst, rannte er zu seinem Fahrrad, um aus dem Korb, in dem das Fleisch lag, sein Schlachtermesser hervorzuholen! Zum Glück traf ihn meine Ohrfeige (die später in zahlreichen meinet Filme wieder zum Einsatz komme sollte) genau in dem Moment, als er die Waffe auf mich richtete, womit die lebhafte Auseinandersetzung ihr jähes Ende fand.
Da wir grade beim Thema sind, erinnere ich mich an eine dritte Auseinandersetzung, die aber nicht wirklich handgreiflich wurde: Ein unfreundlicher Lastwagenfahrer bedrohte mich wegen einer banalen Meinungsverschiedenheit auf der Straße mit dem Lkw-Wagenheber. Bei mir war mein Freund Nino Fuscclla, der sich an diesen Vorfall auch noch erinnert. Der Brummifahrer stieg aus und kam drohend auf uns zu. Er fixierte mich, den Wagenheber in der Hand, und forderte mich auf, ebenfalls auszusteigen.
Dieses Mal aber war ich ein wenig müde und gar nicht in der Stimmung. Also drehte ich das Fenster herunter und sagte ihm mit geduldigem Tonfall: »Na gut, dann steige ich jetzt eben aus. Aber versuche besser, mich schon mit dem ersten Hieb k.o. zu schlagen, denn sonst übernachtest du heute im Krankenhaus.«
Er ging einen Schritt zurück, ließ den Wagenheber sinken und sagte mit beleidigter Stimme und breitem römischen Dialekt: »Mensch, was es für Leute gibt! Mit denen kann man sich ja nicht mal in Ruhe unterhalten.« Daraufhin lief er zum Lastwagen zurück und fuhr mit Vollgas davon.
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Wie schon erwähnt, hatte ich mich vor unserer Auswanderung nach Brasilien als 15-Jähriger an der Universität in Rom in der Chemie-Fakultät eingeschrieben. Als wir 1950 zurückkehrten schrieb ich mich erneut ein, nun aber in Jura, und legte nur wenige Prüfungen ab - nicht wie mein Sohn Giuseppe, dem nur noch zwei fehlten, der aber trotzdem nie seinen Abschluss gemacht hat. (Er sagt, es sei meine Schuld, weil ich ihn zum Arbeiten ans Filmset von Es war einmal in Amerika geschickt habe.) In den Fünfzigerjahren unterbrach ich zweimal die Universität, um an den Olympischen Spielen teilzunehmen - erst mit 45 Jahren sollte ich dorthin zurückkehren und eine Prüfung mit Eins plus und zwei weitere mit einer Eins bestehen.
Alles in allem war ich in meinen Zwanzigern so heiter wie als Kind. Klar gab es auch Probleme, aber die hatten eher meine Eltern, ich bekam davon nichts mit, und meine geliebte Schwester Vera schon gar nicht. Alles in meinem Leben flog mir mit Leichtigkeit zu, weswegen ich mich über nichts groß erregte und nichts konnte mich aus der Ruhe bringen. Ich harre keine Traumata, empfand aber auch nie überschäumende Freude.
Es waren die Jahre des Wiederaufbaus, als Italien vom Krieg verwüstet war, aber dank meiner sportlichen Erfolge war es mir möglich, mich in der »besseren Gesellschaft« Roms zu bewegen und die Not der meisten Menschen weder zu sehen noch zu erahnen.
leb nahm die Dinge, wie sie kamen. Meine Mutter pflegte zu sagen: »Gebt Carlo etwas zu tun, damit er nicht denken muss.«
Was etwas widersprüchlich klingt bei einem Jungen, der ein exzellentes Abitur abgelegt hatte, also durchaus kein Idiot war, auch wenn er rein äußerlich nicht sehr intellektuell wirkte.
Wer weiß, was jene zierliche Brünette damals von mir dachte, als wir uns 1954 auf einer Party im wohlhabenden römischen Milieu kennenlernten: Als sie dieses Muskelpaket erblickte, hat sie sich vielleicht alles Mögliche vorgestellt, aber der Gedanke, dass wir einmal heiraten und fünfzig Jahre später immer noch verheiratet sein würden, ist ihr bestimmt nicht gekommen. Und auch ich habe so etwas niemals geahnt.
Damals als man noch nicht die Freiheiten genoss, die man heute hat, und da ich sehr beschäftigt mit dem Sport und später nach meiner zweiten Auswanderung mit der Arbeit in Venezuela war, sahen wir uns nur sehr selten und tauschten höchstens den einen oder anderen unschuldigen Kuss aus. Es war wirklich eine ganz andere Zeit, unschuldig und ausschweifend zugleich.
Es war das Rom der »Dolce Vita«, des »süßen Lebens«, das wenige Jahre später durch den meisterhaften gleichnamigen Film von Fellini unsterblich gemacht werden sollte. Dazu gehörten die Srars, die zur Via Veneto strömten, und die alltäglichen (oder besser: allnächtlichen) Sex-Skandale in den Lokalen der Umgebung. Wenn ich von VIPs und Starlets las, die sich volllaufen ließen, verstand ich das gar nicht recht, was vielleicht daran lag, dass bei mir schon ein halbes Glas Wein
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