Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
Ersatzteil-Managements für Alfa Romeo und die englische Gruppe Roots übernahm. Das Gehalt war gut und mit der Zeit hätte ich mir ein Auto und ein Haus erarbeiten können.
Italien hatte ich kurz vor Beginn seines Wirtschafts-Booms verlassen, in Venezuela aber gab es ständig Unruhen. Während der drei Jahre, die ich dort arbeitete, wurde in regelmäßigen Abständen gegen die Anwesenheit der US-Amerikaner protestiert.
Alles war eine einzige große Revolution. Das Chaos war der Nationalsport. Da ich groß und westlich aussah, wurde ich oft für einen US-Amerikaner gehalten, weswegen ich nicht selten angespuckt, bedroht und beleidigt wurde, bis ich eines Tages mit diesem Missverständnis aufräumen konnte, indem ich die Fußball-Kleidung der italienischen Nationalmannschaft anzog. Schlagartig hörten die Feindseligkeiten auf!
Die erste Revolution, in die ich hineingeriet, war am 1. Januar 1957. Das werde ich nie vergessen. Es war das zweite Mal, dass ich aus dem winterlichen Italien in ein lateinamerikanisches Land auswanderte, in dem man vor Hitze schier umkam, so unerträglich waren die Temperaturen von circa vierzig Grad. Ich erinnere mich, wie ich in einer mit Wasser gefüllten Badewanne schlafen musste, um etwas Erleichterung zu finden.
Ich bin vom Charakter her kein Typ, der zu Heimweh neigt - noch dazu war meine Familie wegen meiner Sport-Karriere gewohnt, mich wenig zu sehen -, aber ich freute mich dann doch, zufällig einen anderen ausgewanderten Italiener zu treffen, der im selben Hotel wie ich untergebracht war.
An solchen Orten traf man häufig auf Leute, die auf der Flucht vor irgendetwas waren, die aus irgendeinem Grund das Weite gesucht hatten - einige aus wirtschaftlichen Gründen, weil sie vielleicht ihren Job verloren hatten, andere, weil sie auf Selbstfindungs-Trips waren; wieder andere liefen vor aussichtslosen Liebesgeschichten davon.
Meine Landsleute, Paolo und Alberto, von denen ich schon erzählt habe, steckten auch mich ein klein wenig mit ihrem Heimweh an, aber dagegen bot die Umgebung fesselnde und lautstarke Ablenkung: Ich war erst ein paar Tage zuvor in Caracas angekommen und stellte fest, dass die Silvester-Kracher gar nicht aufhörten zu explodieren. Hier wissen die Leute, wie man Feste feiert, dachte ich bei mir. Aber das waren nicht die Silvester-Feierlichkeiten. Es ging nahtlos von den Knallfröschen zu den Bomben der Revolution über und das in derselben Nacht. Damals galt es, den Diktator Pérez Jimenez zu stürzen: Ich war am 27. Dezember angekommen, und am ersten Tag des neuen Jahres war er bereits aus den Weg geräumt worden. Nach dem zu urteilen, Was die Leute mir so erzählten, galt er als ganz gewöhnlicher, mittelmäßiger und diebischer Diktator.
Was mir von damals noch sehr klar in Erinnerung ist, weil es mich sehr verwunderte, ist der Umstand, dass von einer Bevölkerung von fünf Millionen Venezolanern nur 700.000 überhaupt staatlich registriert waren; die allermeisten kannten noch nicht einmal das eigene Geburtsdatum.
Während meine beiden Freunde sich schon gut dotierte und angesehene Jobs gesichert hatten, ging ich in den Dschungel Ich hatte nämlich einen Ingenieur kennengelernt, der in der Niederlassung von Alfa Romeo sowie im Straßenbau arbeitete und ein Stück Land gekauft hatte, das nun bebaut werden sollte.
Die Hitze war schwül und drückend. Als Paolo mich einmal besuchte, fragte er mich, wie ich bloß dieses extrem feuchte Höllenklima von über fünfzig Grad Celsius ertragen könne. Damals gab es keine Kühlschränke, sondern Eisblöcke, von denen wir uns je nach Bedarf etwas herunterraspelten; aber so sehr wir auch achtgaben, wurde das Eis immer schmutzig, denn wir waren ja im Dschungel. Am häufigsten nutzen wir das Eis, um das furchtbare Sumpffieber zu lindern, das die Arbeiter regelmäßig heimsuchte. Das war das einzige Problem, das mir erspart blieb, teils aus Glück, teils dank meiner robusten Gesundheit.
Die Ingenieure, die mit mir zusammen die Straße bauten, waren alle Italiener und allesamt hoch spezialisiert. Auch für sie war der erste Kontakt mit dieser Welt, die unserer Zivilisation so fremd war, oft traumatisch und grotesk. Um das Jahr 1957 wurde ein junger Ingenieur eingestellt, der die technische Universität »Politecnico« in Turin mit hervorragenden Noten abgeschlossen hatte. Der Junge kam in Caracas an und erhielt den Brief der Firma, in dem ihm beschrieben wurde, wo er den Mietwagen finden konnte. Der Brief enthielt
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