Mein Leben, meine Filme - Die Autobiografie
Söhne von Giuseppe, meinem Erstgeborenen, der als Produzent arbeitet). Niccolò, mein ältester Enkel, ist besessen vom Boxsport. Der I3-jährige Sebastian, Sohn meiner Tochter Diamante, die mit ihrem Ehemann in Los Angeles lebt, fragte mich eines Tages: »Opa, kannst du Schach spielen?«
»Ja«, antwortete ich.
»Auch mit der Uhr?«, hakte er nach.
Er bemerkte meine Ratlosigkeit und erklärte mir: »Weißt du, Opa, der wahre Schachspider benutzt eine Uhr, um die Zeit anzuzeigen.« Sebastian spielt oft mit den Stadtstreichern und Obdachlosen in der Umgebung, unter denen anscheinend einige hervorragende Schachlehrer sind. Die Jungs sind nicht außergewöhnlich, nur weil sie meine Enkel sind. Sie sind so, wie viele ihrer Altersgenossen, die mit Computern, Videospielen und Fernsehbildschirmen aufwachsen.
Ich selbst habe nicht viel mit Technologie am Hut (es ist ein Erfolg für mich, den DVD-Spieler zum Laufen zu bringen, ohne ihn verprügeln zu müssen). Da ich von Natur aus die Gabe eines ziemlich eisernen Gedächtnisses besitze, habe ich mich immer lieber darauf verlassen als auf Technologien.
Aristoteles und Zenon von Elea stellten das berühmte »Paradoxon von Achilles und der Schildkröte« auf: Sie argumentierten, dass eine Schildkröte, die vor Achilles losläuft, nie von ihm eingeholt werden könne, da in dem Moment, wo dieser ihren Vorsprung einholt, sie bereits einen weiteren Vorsprung gewonnen habe. Es handelt sich um einen Trugschluss, der lange Zeit nicht widerlegt werden konnte. Plotin sagt in Das Schöne : »Kein Auge kann die Sonne sehen, das nicht sonnenhaft geworden ist.«
*
400 Jahre vor Christus schrieb Platon Dialoge, deren Themen auch heute noch sehr aktuell sind: die Rebellion gegen die Eltern, gegen die Lehrer, des Schüler gegen den Meister. Menschen mir echter Bildung haben mir bestätigt, was Sokrates gesagt hat: Je mehr man versucht zu erfahren, desto weniger weiß man. Vielleicht stimmt es, dass wer weniger nachdenkt, glücklicher ist.
Aber der Mensch ist nicht bloß das einzige denkende Tier, sondern auch das einzige, das sich anzieht: Er kleidet sich nicht nur mit Textilien, um sich vor Kälte zu schützen, er bedeckt sich auch mit Ideologien, um sein Tiersein unter Kontrolle zu halten und sich von anderen Tieren abzuheben. Er bedeckt sich mit Büchern, Gemälden, Musik. Aber am Ende ist es immer noch Sklave der gleichen Grundbedürfnisse: das Verlangen danach, zu essen, zu schlafen, seine Notdurft zu erledigen und sich zu paaren, durchdringt ihn. Der perfekte Mensch wäre einer, der keines dieser Bedürfnisse verspürt.
Die Kultur kann heutzutage ohne Technologie nicht auskommen: Die Kinder haben schon in der Grundschule Computer zur Verfügung, und bereits wenn sie die Pubertät erreicht haben, ganz zu schweigen vom Erwachsenenalter, sind sie kleine Genies, die nicht nur meiner Generation überlegen sind, sondern auch der meines Sohnes, der knapp fünfzig ist. Wenn man den Fortschritt als Verfall verstehen würde, hieße dies, dass diese Kinder schon frühzeitig durch den Internet- und Handy-Missbrauch verdorben sind, denn sie sind ja bereits mit acht oder neun Jahren telefonabhängig. Aber das ist immer noch besser, als drogenabhängig zu sein.
Drogen zu nehmen wäre mir selbst nie in den Sinn gekommen, auch nicht, als ich jung war. Und das nicht nur aus gesundheitlichen oder moralischen Gründen, sondern vielmehr, weil ich niemals auch nur eine Sekunde die Kontrolle darüber verlieren wollte, was ich tue - bloß wegen eines imaginären »Paradieses«, das einem von Alkohol oder Betäubungsmitteln
vorgegaukelt wird. Andererseits ist es natürlich gut möglich, dass jemand, der einen Film von mir sieht oder mich sprechen hört, sich fragt: »Oje, was hat Bud denn da geraucht?!«
Die Musik
Eine weniger bekannte Seite von Bud ist - falls es irgendwen interessiert - die Musik. Das, was ich über den Sport und die Filme gesagt habe, gilt hier genauso. Ich habe keine richtige musikalische Ausbildung: Ich kann keine Noten lesen oder schreiben. Beim »SIAE-Examen« vor einer Kommission wird einem ein Thema vorgegeben, und einer von ihnen nennt bestimmte Akkorde, die man dann fortsetzen muss. SIAE: »Società Italia degli Autori ed Editori« (»Italienische Gesellschaft der Urheber und Verleger«); es handelt sich um eine Verwertungsgesellschaft, die für alle Arten urheberrechtlich geschützter Werke zuständig ist. Sie ähnelt der deutschen GEMA
Weitere Kostenlose Bücher