Mein Leben mit Wagner (German Edition)
Angesichts der Hafenanlagen an der Themse orakelt er, durchaus visionär: «Der Traum Alberich’s ist hier erfüllt, Nibelheim, Weltherrschaft, Tätigkeit, Arbeit, überall der Druck des Dampfes und Nebel.»
Jeder andere hätte in dieser Situation wohl kapituliert. Wagner aber entschließt sich bereits Anfang 1877 zu einem neuen Werk. Er spürt, dass er noch nicht am Ende ist, der Weltenbrand der «Götterdämmerung» soll nicht sein Vermächtnis sein. Am 25. Januar macht er Cosima ein Geständnis, das diese «vor Freude laut lachen» lässt: «Ich beginne den Parzival und laß nicht eher von ihm, als er fertig ist.» Und genau so kommt’s: Wagner kramt jene 20 Seiten aus seinem «Braunen Buch» wieder hervor, die er 1865, nach der «Tristan»-Uraufführung, eilig verfasst hatte, den ersten Prosaentwurf zu einem «Parzival»-Drama. Zwei Jahrzehnte lang hatte ihn bis dahin der Stoff schon begleitet, seit seinem so ergiebigen Aufenthalt in Marienbad 1845 («Lohengrin», «Meistersinger»), als er auch Wolframs von Eschenbach «Parzival»-Epos las. Wagner ändert nun die Schreibweise des Titelhelden, vom mittelhochdeutschen «Parzival» in «Parsifal» (abzuleiten, so glaubt er jedenfalls, vom altpersischen «fal parsi», was «reiner Tor» bedeutet), mit der Dichtung geht es jetzt rasch voran. Im September 1877 beginnt er mit der Komposition, etwas über vier Jahre später, am 13. Januar 1882, kann er die Partitur im Hotel des Palmes in Palermo beenden. Wie bei allen seinen Arbeiten habe er auch bei dieser gefürchtet, «durch den Tod unterbrochen zu werden», berichtet Carl Friedrich Glasenapp.
Es ist bereits der zweite Winter, den Wagner aus gesundheitlichen Gründen in Italien verbringt. 1880 hat er fast das ganze Jahr im Süden gelebt, der Dom von Siena inspirierte ihn zum Gralstempel seines «Parsifal», der Garten der Villa Rufolo in Ravello an der amalfitanischen Küste diente ihm als Vorbild für Klingsors Reich im zweiten Akt. Zurück in Deutschland graust es Wagner 1882 vor der «Entweihung» seines neuen Werks durch den «Amüsierbetrieb» der Theater, er nimmt Ludwig II. das Versprechen ab, dass der «Parsifal» nur in Bayreuth gegeben werden dürfe. Am 2. Juli 1882 geht es dort an die Proben, am 26. Juli wird das «Bühnenweihfestspiel» erfolgreich uraufgeführt, und 15 weitere Vorstellungen schließen sich an. Während der allerletzten greift Wagner selbst zum Taktstock und besiegelt damit einen auch finanziell einzigartigen Erfolg: Die Produktionskosten kommen durch die Eintrittsgelder wieder herein, Patronatsscheine steuern weitere 140.000 Mark bei, und für Partitur und Klavierauszug zahlt Schott nochmals 150.000 Mark. Der Festspielunternehmer Richard Wagner ist rehabilitiert – und macht sich erneut auf nach Italien. Diesmal ist Venedig sein Ziel, im Palazzo Vendramin Calergi beziehen er und seine Familie 15 Räume. Knapp fünf Monate später erliegt Wagner dort einem Herzinfarkt.
Besetzung
Eigentlich müsste die Oper «Gurnemanz» heißen oder «Kundry», jedenfalls nicht «Parsifal», denn der Titelheld (Tenor) hat fast am wenigsten zu singen und ist auch sonst keine sonderlich dankbare Partie. Wagner, der sich um seine Sänger nie groß gekümmert hat, scheint hier keinen Wert mehr auf Konventionen gelegt zu haben. Als sei er über alle Arten von «Gefallsucht» endgültig hinaus gewesen. Die Gralsgesellschaft, zu der Parsifal stößt, besteht aus dem Gralskönig Amfortas (Bariton) und dessen Vater Titurel (Bass), Gurnemanz (Bass), zwei Gralsrittern (Tenor und Bass) und vier Knappen (je zwei Soprane und Tenöre). Ihr gegenüber steht das Zauberreich Klingsors (Bass) mit seinen Zauber- oder Blumenmädchen (je drei Solo-Sopranistinnen und -Altistinnen nebst zwei Gruppen zu je 12 Sopranen und Altistinnen). Kundry (Mezzosopran) ist die einzige Figur, die beiden Welten angehört, mal als Gralsbotin und Büßerin auftritt, mal als Hure – und die einzige Protagonistin überhaupt. Im ersten Akt erhebt sich außerdem eine Stimme aus der Höhe (Alt). Der Chor verteilt sich auf Gralsritter, Jünglinge und Knaben.
Das Orchester ist schlanker besetzt als im «Ring»: drei Flöten, drei Oboen plus Englischhorn, drei Klarinetten plus je eine Bassklarinette in A und in B, drei Fagotte nebst Kontrafagott, vier Hörner, drei Trompeten, drei Posaunen, Basstuba, Pauke, zwei Harfen und der gewöhnlich groß besetzte Bayreuther Streicherapparat (16, 16, 12, 12, 8). Was im Vergleich zum «Ring»
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