Mein Leben ohne Limits
meinen Körper betasten zu dürfen, damit sie sich ein Bild machen können, wie jemand ohne Gliedmaßen aussieht. Das macht mir nichts aus. Als das kleine Mädchen seine Mutter fragte, ob sie einen „Blick“ auf mich werfen dürfe, habe ich es natürlich erlaubt. Die Mutter führte die Hände über meine Schultern und meinen kleinen Fuß. Ihre Reaktion war interessant. Schweigend tastete sie meine leeren Gelenkpfannen und das komische kleine Füßchen ab. Dann fuhr sie mir mit der Hand übers Gesicht und schrie plötzlich auf! Es war köstlich.
„Was? Mein hübsches Gesicht macht dir Angst?“, fragte ich lachend.
„Nein, aber die ganzen Haare! Bist du ein Wolf?“
Anscheinend hatte sie noch nie einen Bart gefühlt. Meine Stoppeln jagten ihr einen gehörigen Schrecken ein. Sie sagte zu ihrer Mutter, wie traurig es sei, dass ich so viele Haare auf dem Gesicht hätte! Das Mädchen hatte eben ihre eigene Vorstellung von Attraktivität. Bartwuchs schien offensichtlich nicht dazuzugehören. Mir machte es nichts aus. Ich war ihr vielmehr dankbar dafür, dass sie mir wieder ins Gedächtnis gerufen hatte: Schönheit liegt im Auge – oder der Hand – des Betrachters.
ENDLICH ANDERS!
Wir Menschen sind schon ein komischer Haufen. Die Hälfte der Zeit versuchen wir, ganz normal zu sein und in der Masse unterzutauchen, und die andere Hälfte versuchen wir, möglichst aus ihr herauszustechen. Warum ist das so? Ich bekenne mich jedenfalls schuldig! Du dich wahrscheinlich auch. Dieses Verhalten scheint weltweit verbreitet zu sein und ist Teil unserer menschlichen Natur. Warum können wir nicht einfach zufrieden mit uns selbst sein?
In der Schule wollte ich nichts lieber, als dazuzugehören. Wie die meisten anderen auch. Was ich dabei verblüffend finde: Kids, die unbedingt „anders“ sein wollen, hängen mit Jungs und Mädels herum, die sich genauso anziehen, genauso reden und sich ganz genauso verhalten. Wer soll das verstehen? Wie kann man bewusst Außenseiter sein, wenn alle Freunde dieselben schwarzen Klamotten, denselben schwarzen Nagellack, Lippenstift und Eyeliner tragen? Ist man dann nicht vielmehr ein Insider?
Tattoos waren einmal ein Ausdruck von Rebellion und ein Zeichen für ein wildes Leben. Heute haben Mütter Tattoos und Piercings. Es muss doch einen besseren Weg geben, seine Einzigartigkeit zu betonen, als denselben Trends zu folgen, denen man alle naselang im Einkaufszentrum begegnet!
Ich habe mir eine Einstellung zugelegt, die dir vielleicht auch hilft. Ich habe beschlossen, dass meine Schönheit gerade in den Unterschieden liegt. Ich bin eben nicht wie jeder andere! Ich bin ich –, und zwar einzigartig. Keiner wird mich je einen „Normalo“ nennen oder einen „Typ wie jeder andere auch“. Ich steche aus der Masse heraus – wenn auch nicht nach oben hin.
Diese Einstellung hat mir schon oft geholfen, vor allem weil die erste Reaktion von Kindern und Erwachsenen auf mich oft seltsam ist. Kinder denken, ich komme entweder von einem anderen Stern oder ich bin ein Monster. Bei Teenagern regt mein Anblick gleich ihre Fantasie an: Sie glauben, ich wäre von einem Axtmörder verstümmelt worden oder sonst etwas Grauenvolles. Und Erwachsene ziehen auch die verrücktesten Schlüsse. Oft halten sie mich für eine Schaufensterpuppe oder einen von den Muppets.
Einmal war ich an Halloween zu Besuch bei Verwandten in Kanada. Sie nahmen mich auf meine erste „Süßes oder Saures!“-Tour mit. Für mich hatten die Verwandten eine große Gruselmaske gefunden, die den ganzen Körper bedeckte. Darin trugen sie mich von Tür zu Tür. Zunächst reagierten die Leute ganz normal, bis wir merkten, dass sie mich für unecht hielten. Das wurde uns in dem Moment klar, als eine Frau meine Lieblingslollis in den Beutel warf und ich rief: „Danke! Süßes oder Saures!“
Sie kreischte und schrak zurück. „Ist da ein Kind drin?“, rief sie verstört. „Ich dachte, das ist eine Puppe!“
Ich bin ja auch wirklich zuckersüß, dachte ich.
Wenn mir der Schalk im Nacken sitzt, dann nutze ich meine Einmaligkeit gern so richtig aus. Ich gehe immer wieder gern mit meinen Freunden, Cousins und Cousinen in große Shoppingzentren. Einmal waren wir in Australien in einem großen Einkaufstempel und entdeckten das Schaufenster eines Unterwäscheladens der Marke Bonds. Bonds ist eine altbekannte, typisch australische Unterwäschefirma.
Die männliche Schaufensterpuppe hatte nur einen weißen Bonds-Herrenschlüpfer an. Sein
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